Thorns of Darkness 01 - Dark
lernen. Nach einigem Hin und Her hatte ich sie überzeugt, dass ich ihr nichts Böses wollte, und sie willigte ein. Von da an trainierte ich sie. Sie war ein Naturtalent. Sie schien die Tiere lesen zu können, kommunizierte mit ihnen auf eine Art, wie ich es nie zuvor gesehen hatte.“
Er machte Pause und zündete seine Zigarre erneut an, die ausgegangen war. Er paffte ein paar Züge, in Gedanken versunken, als ob er das kleine Mädchen von damals vor sich sähe.
„Was passierte weiter?“, wollte ich wissen. Ich hatte keine Ahnung, warum, doch ihre Geschichte interessierte mich brennend. Ich wollte wissen, was hinter dieser zierlichen Person steckte, die mich erst niedermachte, nur um sich dann vor mir zu verstecken wie ein verängstigtes Kaninchen.
„Sie kam jeden Tag und machte schnell Fortschritte beim Reiten. Anfangs war sie den Jungs gegenüber schreckhaft, doch bald vertraute sie mir genug, dass sie jeden, der für mich arbeitete, in ihrer Nähe duldete. Doch wehe, wenn jemand Fremdes kam. So wie du.“ Er blickte mich an. „Manchmal kam sie mehrere Tage nicht und wenn sie dann wieder auftauchte, dann war sie plötzlich wieder scheu und weigerte sich, ihren Hut abzunehmen. Auch war sie dann immer in langärmeligen Hemden gekleidet, egal, wie warm es war. Das kam mir verdächtig vor. Ich brauchte allerdings ein ganzes Jahr, um sie so weit zu bekommen, dass sie mir gestattete, ihre Hemdsärmel hochzuschieben.“ Er schüttelte den Kopf. „Das arme Ding war grün und blau“, erzählte er weiter und ich spürte kalte Wut in mir aufsteigen. Wut auf den, wer auch immer ihr wehgetan hatte. „Oft hatte sie ein blaues Auge, eine aufgeplatzte Lippe oder eine geschwollene Wange. Ich fand heraus, dass sie mit ihrem Vater allein in einer Hütte lebte. Er war oft für längere Zeit weg, das war die Zeit, wenn sie regelmäßig kam. Dann kam er für ein paar Tage zurück und sie würde nicht kommen. Erst ... erst wenn der Bastard wieder weg war.“
„Was ist mit Schule? Ist sie ...“
„Sie war auf der Schule“, erwiderte mein Großvater. „Sie haben sogar versucht, etwas zu bewegen, dass man sie von ihrem Vater wegholte. Doch Geena deckte ihn stets und das Schlimmste bekam die Schule ja auch gar nicht mit. Sie ging nicht hin, wenn sie grün und blau war. Wegen ihrer Fehltage musste er ein paar Mal Strafe zahlen, das war auch schon alles.“
„Aber er ließ sie allein. Hätte man da nichts machen können?“, fragte ich aufgebracht.
„Wenn George, so hieß der Bastard, nicht zu Hause war, dann hatte er seine Schwester Ellen dort. Sie passte auf Geena auf. Es war wirklich keine einfache Situation. Ich wollte einmal mit Geena zum Arzt, damit man ihre Wunden dokumentierte, doch sie weigerte sich so vehement, dass sie schwor, sie bringe sich um, wenn ich sie dazu zwingen würde. Da war sie gerade einmal acht Jahre alt. Ich versuchte, ihre schlimme Zeit so gut wie ich konnte wettzumachen, indem ich ihr eine Zuflucht auf der Ranch schaffte und mich um sie kümmerte. Als sie dann ihren Vater ... als er tot war, nahm ich sie ganz zu mir. Ich erhielt die Vormundschaft, da ich nachweisen konnte, dass Geena sich ohnehin seit Jahren mehr hier als zu Hause aufhielt und sie gern hier war. Ich habe es dir noch nicht gesagt, aber wenn es einmal mit mir zu Ende geht, wird sie die Ranch erben. Du bekommst genug Geld, dass ...“
„Das ist okay für mich“, unterbrach ich ihn. „Sie hat es mehr als verdient. Ich brauche nichts von dir. Ich meine das nicht respektlos. Es ist nur so, dass ich genug Geld habe.“
„Ich bin froh, dass du so denkst, mein Junge.“
„Wegen Geena“, sagte ich und lehnte mich vor, die Ellenbogen auf meine Knie gestützt. „Bitte, lass ihr den Frieden, sich zu verstecken oder zu verkleiden, wenn sie sich dadurch besser fühlt. Das Letzte, was ich will, ist, sie in eine unangenehme oder gar beängstigende Situation zu bringen.“
„Gut. Ich werde sie lassen. Ich hatte so gehofft, dass ihr Freunde werden könntet. Sie ist so ein nettes Mädel. Und sie hatte sich so gut herausgemacht. Ich hätte nie gedacht, dass sie so ...“
„Gib ihr Zeit. Sie wird schon merken, dass ich sie nicht beiße“, erwiderte ich. Ich verschwieg meinen kleinen Zusammenstoß mit ihr. Ich hatte das Gefühl, dass es Geena nicht recht wäre, wenn ich davon erzählte.
Ich erhob mich und lächelte gezwungen.
„Ich werd dann mal fischen gehen.“
„Ja, tu das. Viel Spaß!“
6
Geena
Nach dem peinlichen
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