Throne of Glass – Die Erwählte
grünen Samtumhang und trottete hinter ihm her.
Der Captain der Garde eilte durch das Schloss, in dem es so früh am Morgen noch eiskalt war, und bald erreichten sie den Kasernenflügel. Wachen unterschiedlicher Dienstgrade salutierten. Hinter einer offenen Tür war eine große Kantine zu sehen, wo viele der Wachen gerade zum Frühstück Platz nahmen.
Endlich blieb Chaol irgendwo im Erdgeschoss stehen. Der rechteckige, im Schachbrettmuster geflieste Raum, den sie betretenhatten, hatte die Größe eines Ballsaals. Die eine Seite war von Säulen gesäumt, auf denen eine Empore ruhte, und eine Wand bestand vollständig aus deckenhohen Glastüren, die offen standen und deren hauchdünne Vorhänge in der aus dem Garten hereinwehenden kalten Brise flatterten. Die meisten der dreiundzwanzig anderen Champions waren schon im Raum verteilt und übten – wahrscheinlich mit den Trainern der Ratsherren, die ihre Kandidatur unterstützten. Alle wurden von den Wachen genauestens beobachtet. Niemand würdigte Celaena eines Blickes, bis auf den gar nicht so übel aussehenden jungen Mann mit den grauen Augen, der ihr ein halbes Lächeln zuwarf, bevor er sich wieder der Zielscheibe am anderen Ende des Raums zuwandte und mit nervtötender Treffsicherheit seine Pfeile abschoss. Celaena hob das Kinn und musterte ein Gestell mit Waffen. »Ihr erwartet doch wohl nicht, dass ich eine Stunde nach Sonnenaufgang schon eine Keule schwinge?«
Hinter ihnen erschienen sechs Wachen in der Tür und gesellten sich zu den Dutzenden, die sich bereits im Raum befanden, die Schwerter griffbereit. »Wenn Ihr irgendwelche Dummheiten macht«, sagte Chaol ruhig, »sind die sofort zur Stelle.«
»Ich bin nur eine Juwelendiebin, schon vergessen?« Sie näherte sich dem Gestell. Fatale Fehlentscheidung, all diese Waffen herumliegen zu lassen: Schwerter, Degenbrecher, Äxte, Bögen, Spieße, Hirschfänger, Keulen, Speere, Wurfmesser, Kampfstöcke aus Holz … Auch wenn sie normalerweise einen unauffälligen Dolch vorzog, war sie mit all diesen Waffen vertraut. Sie sah sich in der Trainingshalle um und verkniff sich eine Grimasse. Wie anscheinend auch die meisten ihrer Gegner. Während sie sie genauer betrachtete, nahm sie im Augenwinkel eine Bewegung wahr.
Cain betrat die Halle, neben sich zwei Wachen und ein mit Narben bedeckter, stämmiger Mann, der sein Trainer sein musste.Celaena richtete sich auf, als Cain direkt auf sie zukam und die dicken Lippen zu einem Grinsen verzog.
»Schönen guten Morgen«, sagte er mit tiefer, rauer Stimme. Seine schwarzen Augen glitten über ihren Körper und sahen ihr dann ins Gesicht. »Ich hätte gedacht, du wärst längst nach Hause gerannt.«
Celaena rang sich ein schmallippiges Lächeln ab. »Der Spaß fängt doch grade erst an, oder?« Cain erwiderte ihr Lächeln und stolzierte davon.
Es wäre so leicht gewesen. So leicht, ihn am Hals zu packen und herumzuwirbeln und sein Gesicht in den Boden zu drücken. Sie merkte nicht einmal, dass sie vor Wut zitterte, bis Chaol in ihr Blickfeld trat. »Hebt es Euch für den Wettkampf auf«, sagte er leise, aber entschieden.
»Ich bringe ihn um«, flüsterte sie.
»Nein, das werdet Ihr nicht. Wenn Ihr ihn zum Schweigen bringen wollt, dann schlagt ihn. Er ist nur ein Schlächter aus der königlichen Armee – verschwendet Eure Kraft nicht darauf, ihn zu hassen.«
Sie verdrehte die Augen. »Ich danke Euch aufrichtig , dass Ihr Euch meinetwegen Gedanken macht.«
»Ich glaube kaum, dass ich mich um Euch kümmern muss.«
»Trotzdem wäre es nett.«
»Ihr könnt Eure Kämpfe sehr gut allein austragen.« Er deutete mit seinem Schwert auf das Waffengestell. »Sucht Euch was aus.« Während sie ihren Umhang öffnete und hinter sich warf, funkelten seine Augen erwartungsvoll. »Mal sehen, was wirklich hinter Eurer Prahlerei steckt.«
Sie würde Cain zum Schweigen bringen – für alle Ewigkeit in einem namenlosen Grab. Aber erst einmal … erst einmal würde sie dafür sorgen, dass Chaol seine Worte bitter bereute.
Sämtliche Waffen waren von solider Qualität und funkelten im Sonnenlicht. Mit klopfendem Herzen fuhr Celaena mit den Fingernüber Klingen und Griffe. Sie überlegte bei jeder, wie viel Schaden sie im Gesicht des Captains anrichten konnte, und schloss eine nach der anderen aus. Am Ende war sie hin- und hergerissen zwischen den Messern und einem wunderschönen Rapier mit einem reich verzierten Handschutz. Damit könnte sie ihm aus sicherer Entfernung das Herz
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