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Thunderhead - Schlucht des Verderbens

Thunderhead - Schlucht des Verderbens

Titel: Thunderhead - Schlucht des Verderbens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston
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sah, dass der Alkoven ein wenig zurückgesetzt war. Dieser Umstand schien dafür verantwortlich zu sein, dass ein in der Talsohle stehender Beobachter annehmen musste, eine durchgehende Felswand vor sich zu haben. Und weil sich die Sandsteinklippe direkt oberhalb des Alkovens in einer konvexen Kurve um gut fünfzehn Meter nach außen wölbte, war die Stadt auch vom oberen Rand des Canons her nicht zu erkennen. Es war ein perfektes Zusammenspiel von geologischen Formen und Erosion, das die Ruinenstätte praktisch unsichtbar machte. In Nora stieg ein flüchtiger, verzweifelter Gedanke auf: Hoffentlich hat mein Vater das hier gesehen.
    Auf einmal spürte sie, wie ihr die Knie weich wurden. Sie musste sich auf den Felsboden der Terrasse setzen. Dabei wandte sie keine Sekunde lang den Blick von der Stadt auf der gegenüberliegenden Seite des Tales ab. Sloane kniete sich neben sie.
    »Nora«, sagte sie mit einem ganz leichten Anflug von Ironie in der Stimme, der den ehrfürchtigen Klang ihrer Worte ein wenig konterkarierte. »Ich glaube, wir haben soeben Quivira entdeckt.«

 
25
    W ollen wir?«, murmelte Sloane, nachdem sie die Stadt noch eine Weile schweigend betrachtet hatten.
    Nora antwortete nicht, sondern blickte die Terrasse entlang, die rings um den ganzen Canon herumlief. An den Stellen, wo sie sich zu einem schmalen Felssims verengte, konnte sie eine flache Rille im Gestein sehen, die möglicherweise von den unzähligen Füßen herrührte, die vor vielen Jahrhunderten diesen Weg gegangen waren. Ein Teil von Noras Gehirn registrierte all diese Eindrücke gewissenhaft und leidenschaftslos, während ein anderer den Schock über das Ausmaß dieser umwerfenden Entdeckung noch immer nicht verdaut hatte. Der leidenschaftslose Teil sagte ihr, dass sie so rasch wie möglich die anderen Expeditionsteilnehmer samt Ausrüstung nachholen musste, um die Stadt von Anfang an einer wissenschaftlich korrekten Untersuchung zu unterziehen. Der andere Teil war derselben Meinung wie Sloane. »Ach, was soll's«, erwiderte sie. »Lassen Sie uns hinübergehen.«
    Als sie aufstand und Sloane folgte, merkte Nora, dass sie noch immer ziemlich wackelig auf den Beinen war. Auf dem ganzen Weg die ringförmige Terrasse entlang hatte sie das Gefühl, in einem wunderbaren Traum zu sein. Am Rand des großen Alkovens blieb sie stehen, um die Ruinen der Stadt aus der Nähe zu betrachten. Die Morgensonne beleuchtete nur die vordersten Häuser von Quivira, während die dahinter noch im Schatten des riesigen Felsüberhangs lagen und in einem gespenstischen Halbdunkel verschwanden. Obwohl die Stadt aus großen, massiven Steinquadern erbaut war, strahlte sie eine fast leicht anmutende Harmonie und Eleganz aus. Für Nora bildete sie - wie die meisten anderen größeren Anasazi-Ruinen auch - eine Einheit, die ihr eher gewachsen als gebaut vorkam. An einigen der Häuserwände konnte sie noch die Reste des Gipskalks entdecken, mit dem sie ursprünglich getüncht gewesen waren, und auf der runden Seitenwand des Großen Kivas waren relativ deutlich die Reste einer aufgemalten blauen Scheibe zu erkennen.
    Vier Türme fanden sich an den vier Ecken der Stadt, deren Mittelpunkt das Große Kiva bildete. Ein jeder der Türme war an die fünfzehn Meter hoch, und während die vorderen beiden frei standen, reichten die hinteren bis an die gewachsene Felsdecke des Alkovens hinauf.
    Oberflächlich betrachtet befand sich die Ruinenstätte in einem hervorragenden Zustand, aber bei näherem Hinsehen erkannte Nora, dass sie doch nicht ganz so perfekt erhalten war. Beispielsweise wiesen die Wände der Türme tiefe Risse auf, und bei einem von ihnen war sogar ein ganzes Stück Mauer weggebrochen, so dass man in sein dunkles Inneres hineinschauen konnte. Auch in der in mehreren Stockwerken übereinander erbauten Stadt selbst waren einige der oberen Gebäude eingestürzt, während andere so aussahen, als seien sie ausgebrannt. Doch davon abgesehen war der Zustand der Ruinen erstaunlich gut. An manchen Wänden lehnten sogar noch Holzleitern, mit denen die Bewohner in die oberen Häuser gelangt waren. Nora schätzte, dass es in Quivira Hunderte von vollkommen intakten Räumen geben musste.
    Nachdem sie sich einen ersten, groben Überblick verschafft hatte, wandte Nora ihre Aufmerksamkeit den im Schatten gelegenen, hinteren Teilen des Alkovens zu. Am rückwärtigen Stadtrand befand sich eine Reihe von gedrungenen Kornspeichern, hinter denen Nora einen schmalen Durchgang zu

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