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Thunderhead - Schlucht des Verderbens

Thunderhead - Schlucht des Verderbens

Titel: Thunderhead - Schlucht des Verderbens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston
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frisch, als wäre es erst gestern gemalt worden.« Der Lichtstrahl kam in einer Wandnische zur Ruhe. »Sehen Sie mal, was da ist, Nora.«
    Nora ging hinüber zu der Nische und erkannte ein etwa faustgroßes Lederbündel, das fest zusammengerollt und verschnürt war.
    »Das ist ein Medizinbündel«, flüsterte sie. »Ein Bergboden-Bündel, so wie es aussieht.«
    Sloane starrte sie an. »Haben Sie schon mal gehört, dass jemand ein intaktes Medizinbündel der Anasazi gefunden hätte?«, fragte sie.
    »Nein«, antwortete Nora. »Dieses hier ist meines Wissens das erste.«
    Eine Weile standen sie in dem Raum, dessen Luft alt und abgestanden roch, bis Nora eine dritte Tür entdeckte. Sie war kleiner als die beiden vorherigen und führte vermutlich in einen Vorratsraum.
    »Sie zuerst«, sagte Sloane.
    Nora bückte sich und kroch auf allen vieren durch die niedrige Öffnung. In dem engen Raum dahinter richtete sie sich wieder auf. Sloane kam ihr hinterhergekrabbelt und leuchtete mit der Taschenlampe durch die Staubwolke, die sie bei ihrem Eintritt aufgewirbelt hatten.
    An der rückwärtigen Wand entlang stand eine Reihe von außergewöhnlich schönen Tontöpfen, deren Oberfläche glatt poliert und mit fantasievollen Mustern bemalt war. Aus der Öffnung eines dieser Gefäße ragte ein Bündel geschnitzter, bemalter und mit Federn versehener Ritualstäbe hervor, deren kräftige Farben man selbst durch die dicke Staubschicht noch erkennen konnte. Daneben fand sich eine große Steinpalette, deren Form an die eines Blattes erinnerte, und auf ihr lag ein gutes Dutzend Fetische aus Halbedelsteinen, die verschiedene Tiere darstellten. Jedem dieser Tiere hatte man mit einem Stück Sehne eine Pfeilspitze auf den Rücken gebunden. Daneben standen eine Schale mit kleinen, aus schwarzem Obsidian gefertigten Pfeilspitzen, wie die Anasazi sie zur Vogeljagd verwendet hatten, und eine kleine Steinbank, auf der sorgfältig einige Artefakte arrangiert waren. Mit ungläubigem Staunen sah Nora außerdem noch einen vermoderten Ledersack, aus dem mehrere Bildsteine herausgefallen waren, dazu einige Wiegenbretter und diverse wunderschöne, aus Apocynaceen-Fasern gewebte Beutel, die mit rotem Ocker gefüllt waren.
    Die Stille, die hier in der verfallenen Stadt herrschte, war absolut. Allein in diesem Raum befinden sich bedeutendere Artefakte als in allen Sammlungen der wichtigsten Museen, dachte Nora. Sie folgte mit den Augen dem Schein der Taschenlampe, der immer weitere bemerkenswerte Objekte der Dunkelheit entriss: den mit blauen und roten Farbstreifen verzierten Schädel eines Grizzlybären, den man Büschel von Süßgras in die Augen gestopft hatte, einen bemalten Stock, an dem ein menschlicher Skalp und die Rasseln einer Klapperschlange hingen, ein Totenkopf, dessen Stirn ein großes Stück Katzengold zierte und zwischen dessen entsetzlich grinsenden Zahnreihen blutrote Karneole eingelegt waren, einen in Form eines Hornkäfers geschliffenen Bergkristall und einen zierlich geflochtenen Korb, der an der Außenseite mit Hunderten von winzigen, schillernden Kolibribrüsten verziert war.
    Im schwachen Licht der Taschenlampe suchte Nora Sloanes Blick. Die junge Archäologin erwiderte ihn mit weit aufgerissenen, fast wild dreinblickenden Augen. Auch sie konnte ihre Erregung nicht verbergen.
    »Das muss der Vorratsraum der Familie gewesen sein, die in diesen Räumen gelebt hat«, sagte Sloane schließlich mit bebender Stimme. »Und das war nur eine von Dutzenden, vielleicht sogar Hunderten von Familien in dieser Stadt.«
    »Es ist unglaublich, wie wohlhabend diese Familie war. Selbst zu Zeiten der Anasazi müssen diese Gegenstände ein Vermögen wert gewesen sein.«
    Der Staub, der durch den Strahl der Taschenlampe geschwebt war, begann langsam wieder zu Boden zu sinken. Nora atmete zweimal hintereinander tief durch, um wieder etwas Ordnung in ihre Gedanken zu bringen.
    »Nora«, flüsterte Sloane, »ist Ihnen eigentlich bewusst, was wir soeben gefunden haben?«
    Nora riss ihren Blick von den schwach beleuchteten Objekten los. »Ich versuche es mir klarzumachen.«
    »Wir haben gerade eine der wichtigsten archäologischen Entdeckungen aller Zeiten gemacht.«
    Nora schluckte und öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, aber als sie merkte, dass sie keinen Laut über die Lippen brachte, begnügte sie sich mit einem schlichten Nicken.

 
26
    Z wölf Stunden später lag die Stadt Quivira im Schatten und die letzten Strahlen der Spätnachmittagssonne

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