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Thunderhead - Schlucht des Verderbens

Thunderhead - Schlucht des Verderbens

Titel: Thunderhead - Schlucht des Verderbens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston
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entdecken glaubte. Das war höchst ungewöhnlich, denn in allen anderen Anasazi-Städten hatte man die Kornspeicher direkt an der Rückwand des Alkovens vorgefunden.
    Während die Archäologin in ihr gewissenhaft all diese Beobachtungen registrierte, war sich Nora bewusst, dass ihr die Hände zitterten und ihr Herz in einem atemberaubenden Tempo schlug.
    »Kann das denn wirklich wahr sein?«, hörte sie Sloane heiser murmeln.
    Sie setzten sich wieder in Bewegung und gingen langsam weiter auf die Stadt zu. Dabei entdeckten sie an der Wand des Alkovens eine ganze Reihe von bemerkenswerten Felszeichnungen, die aus mehreren Schichten zu bestehen schienen. Nora kamen sie vor wie ein Palimpsest aus rot, gelb, schwarz und weiß eingefärbten Bildsymbolen, die menschliche Hände, Spiralen und Schamanenfiguren mit hohen Schultern und aus dem Kopf herausstrahlenden Kraftlinien darstellten. Dazu kamen die Abbildungen von Antilopen, Hirschen, Schlangen und Bären sowie geometrische Muster, deren Bedeutung Nora und Sloane nicht kannten.
    »Schauen Sie doch mal nach oben«, sagte Sloane.
    Nora folgte ihrem Blick und entdeckte etwa sieben Meter über sich zahllose Reihen von negativen Handabdrücken, die wohl entstanden waren, indem die Anasazi-Künstler ihre Hände auf den Fels gelegt und mit weißer Farbe übermalt hatten. Nora erinnerten diese vielen Hände an eine zum Abschied winkende Menschenmenge. An der Decke des Alkovens bemerkte sie außerdem ein kompliziertes Muster aus Kreuzen und Kreisen in unterschiedlichen Größen. Irgendetwas daran kam ihr merkwürdig vertraut vor. Dann fiel ihr auf einmal ein, was sie bedeuteten. »Großer Gott!«, rief sie aus. »Das ist ja ein Anasazi-Planetarium!«
    »Richtig«, stimmte ihr Sloane zu. »Das hier ist das Sternbild des Orion, und darüber sieht man die Kassiopeia - glaube ich zumindest. Es ist wie das Planetarium im Canon de Chelly, nur sehr viel größer und ausgefeilter.«
    Nora nahm sich vor, die Sternbilder später genauestens zu fotografieren. Jetzt aber ging es darum, einen allgemeinen Eindruck von der Stadt zu bekommen. Sie schickte sich an, einen Schritt nach vom zu machen, zögerte dann aber und blickte hinüber zu ihrer Begleiterin.
    »Ich weiß, was Sie empfinden«, sagte Sloane. »Mir geht es genauso. Auch ich habe das Gefühl, als dürfte ich eigentlich gar nicht hier sein.«
    »Und damit haben Sie nicht Unrecht«, hörte Nora sich selbst sagen.
    Sloane sah sie eine Weile an, dann ging sie langsam, aber entschlossen auf die Ruinen zu. Nora folgte ihr.
    Voller Ehrfurcht schritten die beiden Frauen durch die Straßen der Stadt nach hinten in den kühlen Schatten des Alkovens. Schwalben, die ihre Nester an die Höhlendecke geklebt hatten, segelten über ihre Köpfe hinweg hinaus ins Sonnenlicht und beschwerten sich mit lautem Gezirpe über die ungewohnte Störung.
    Auf dem großen Platz vor einem der Türme blieben die beiden Frauen stehen. Ihre Füße versanken in einer mehrere Zentimeter dicken Staubschicht, die im Lauf der Jahrhunderte in die Stadt geweht war und die Spuren ihrer ehemaligen Bewohner vollkommen überdeckte. Der Turm selbst sah schwer und massiv aus und war ein wenig nach innen geneigt. Ein paar Einschnitte im oberen Teil wirkten wie Schießscharten. Weil Nora weder Tür noch Fenster entdecken konnte, vermutete sie, dass man ihn von hinten betrat. Als sie einen der Risse in der Wand des Turms untersuchte, stellte sie fest, dass seine Wände über drei Meter dick waren. Vermutlich hatten die Türme zur Verteidigung der Stadt gedient.
    Sloane ging, gefolgt von Nora, um den Turm herum. Dabei fiel Nora auf, dass sie beide ganz instinktiv die Nähe der anderen suchten. Irgendwie hatte diese Ruinenstätte etwas Beunruhigendes an sich, das Nora nicht richtig benennen konnte. Vielleicht war es ihre martialische Ausstrahlung, die von den dicken Mauern und der Tatsache herrührte, dass es im Erdgeschoss der Häuser keine Türen gab. Auf manchen Dächern im vorderen Teil der Stadt entdeckte sie sogar Haufen von runden Steinen, die wohl als Wurfgeschosse gegen mögliche Angreifer hatten dienen sollen. Vielleicht rührte Noras seltsames Gefühl aber auch von der unheimlichen Stille zwischen den Ruinen und von dem schwachen Geruch des Verfalls her, der in der trockenen, staubigen Luft hing.
    Sie warf einen Blick zu Sloane hinüber. Die junge Frau hatte ihr inneres Gleichgewicht wieder gefunden und zeichnete etwas in ihr Notizbuch. Es war beruhigend, sie in der Nähe

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