Thunderhead - Schlucht des Verderbens
zugegangen sein. Ich möchte auf einen anderen Posten versetzt werden.«
»Als Sie sich für diese Expedition gemeldet haben, hat man Ihnen gesagt, dass dazu auch Schaufelarbeit gehört«, erwiderte Nora und ließ sich ihre Feldflasche reichen. »Und außerdem gibt es doch nichts Besseres für einen Journalisten, als mittendrin im Geschehen zu sein. Ich dachte immer, im Dreck zu wühlen gehört zu Ihrem Job.«
»Auch du, mein Sohn Brutus?«, fragte Smithback seufzend.
»Kommen Sie und sehen Sie sich an, was wir schon alles geschafft haben«, sagte Black und geleitete Nora zu einem schmalen Graben, der den Abfallhaufen präzise durchschnitt.
»Ist das die Kontrollgrabung?«, wollte Nora wissen.
»Ja«, erwiderte Black. »Ein wunderschönes Bodenprofil, finden Sie nicht auch?«
»Es ist perfekt«, antwortete Nora, die tatsächlich noch nie so saubere Arbeit gesehen hatte, von den zu Tage geförderten Ergebnissen ganz zu schweigen. Black und Smithback hatten Dutzende verschiedener, braun, grau und schwarz gefärbter Schichten freigelegt, anhand derer man genau nachvollziehen konnte, woraus sich die Müllhalde im Lauf der Zeit aufgebaut hatte. Die einzelnen Schichten hatte Black mit nummerierten Fähnchen markiert, weitere kleinere Fähnchen bezeichneten die Stellen, an denen er Proben entnommen hatte. Neben der Grabung lagen ordentlich nebeneinander aufgereiht Dutzende von Plastikbeuteln und Glasröhrchen, in denen Nora Samenkörner, Knochensplitter und Holzkohlenstückchen erkennen konnte. In der Nähe hatte Black ein tragbares Wasserflotationslabor sowie ein Stereomikroskop aufgebaut, um vor Ort Pollen, Samenkörner und menschliche Haare untersuchen zu können. Daneben stand ein kleiner Papierchromatograph, mit dem man in Flüssigkeiten gelöste Substanzen analysieren konnte. Black leistete hoch professionelle Arbeit, und das mit bemerkenswerter Schnelligkeit und Sicherheit.
»Eine Sequenz wie aus dem Lehrbuch«, sagte der Geochronologe. »Ganz oben haben wir eine Schicht aus der Pueblo-III-Zeit, in der sich auch Scherben von Keramik im Ritzdekor und Rotware befinden. Darunter ist eine Schicht aus der Epoche von Pueblo II. Der Abfallhaufen dürfte nicht älter als tausend Jahre sein. Ich würde ihn etwa auf das Jahr neunhundertfünfzig nach Christi Geburt datieren.«
»Das ist ja die Zeit, in der die Anasazi auch den Chaco Canon im großen Stil ausgebaut haben«, meinte Nora.
»Ganz genau«, bestätigte Black. »Unter dieser Schicht« - er deutete auf eine dünne Lage brauner Erde - »haben wir sterilen Boden.«
»Das heißt, dass die Stadt rasch gebaut wurde«, sagte Nora.
»Richtig. Aber nun möchte ich Ihnen etwas zeigen.« Black öffnete einen der Plastikbeutel und ließ vorsichtig drei Tonscherben auf ein Stück Filz gleiten, das er auf der Erde ausgebreitet hatte. Die kleinen Bruchstücke schimmerten im Licht der Mittagssonne.
Nora atmete scharf ein. »Schwarz auf gelbe Goldglimmerkeramik«, murmelte sie. »Wunderschön.«
Black zog eine Augenbraue in die Höhe. »Jetzt sagen Sie bloß, dass Sie so etwas schon einmal gesehen haben. Diese Scherben gehören zu den Seltensten der Seltenen.«
»Ja, doch. Bei meiner Ausgrabung am Rio Puerco haben wir eine einzige Scherbe gefunden, die allerdings stark verwittert war. Meines Wissens wurde noch nie ein intaktes Gefäß dieser Keramik entdeckt.« Dass Black bereits bei seiner ersten Grabung auf drei dieser seltenen Scherben gestoßen war, bewies einmal mehr die Außergewöhnlichkeit von Quivira.
»Ich selbst habe noch nie solche Scherben in situ zu Gesicht bekommen«, sagte Black. »Das Zeug ist fantastisch. Hat es eigentlich schon mal jemand datiert?«
»Nein. Bisher sind ja auch nur zwei Dutzend davon gefunden worden, und alle so verstreut, dass man sie zeitlich nicht einordnen konnte. Aber wer weiß, vielleicht entdecken Sie ja hier genügend, um eine Datierung vornehmen zu können.«
»Ja, vielleicht«, meinte Black und steckte die Scherben mit Hilfe einer großen, an ihren Spitzen mit Gummi überzogenen Pinzette wieder zurück in den Plastikbeutel. »Und jetzt sehen Sie sich einmal das hier an.« Er ging vor dem Bodenprofil in die Hocke und deutete mit seiner Handschaufel auf eine Serie von abwechselnd dunklen und hellen Schichten, die alle eine große Anzahl Tonscherben enthielten. »Ganz offenbar hatte die Stadt nicht immer dieselbe Bewohnerzahl. Die meiste Zeit des Jahres über dürften hier relativ wenige Menschen gelebt haben. Ich würde sagen
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