Thunderhead - Schlucht des Verderbens
nach frischer Farbe riechenden Gang entlang, an dessen Ende sie über eine Treppe in einen weiteren Korridor gelangten. Dort öffnete Martinez eine verkratzte Tür und bat Skip einzutreten. Sie führte in einen kahlen Raum, in dem es nichts weiter als drei Holzstühle, einen Tisch und einen großen Spiegel gab.
Obwohl Skip noch nie an einem solchen Ort gewesen war, hatte er genügend Fernsehsendungen gesehen, um sofort zu wissen, wo er sich befand. »Sieht wie ein Verhörzimmer aus«, konstatierte er.
»Das ist es auch«, sagte Martinez und setzte sich auf einen unter seinem Gewicht laut ächzenden Stuhl. Er legte den Schnellhefter vor sich auf den Tisch und bot Skip einen der beiden anderen Stühle an. Dann deutete er hinauf zur Decke, wo Skip das Objektiv einer Kamera erblickte, das frech auf ihn herunter schaute. »Wir werden unsere Unterhaltung auf Video mitschneiden. Ist das in Ordnung?«
»Habe ich denn eine andere Wahl?«, fragte Skip.
»Natürlich. Sie brauchen bloß Nein zu sagen, und das Gespräch ist damit beendet.«
»Wunderbar«, sagte Skip und machte Anstalten aufzustehen.
»Allerdings wären wir dann gezwungen, Sie gerichtlich vorladen zu lassen, und Sie müssten dann doch noch Geld für einen Anwalt lockermachen. Im Augenblick sind Sie noch kein Tatverdächtiger, deshalb können Sie mir ganz entspannt ein paar Fragen beantworten. Wenn Sie zu irgendeinem Zeitpunkt unseres Gesprächs einen Anwalt konsultieren oder es ganz einfach beenden wollen, können Sie das ja noch immer tun. Na, was halten Sie davon?«
»Haben Sie vorhin >Tatverdächtiger< gesagt?«
»Ja«, antwortete Martinez und sah Skip mit seinen unergründlichen schwarzen Augen an. Skip wurde klar, dass der Mann auf eine Antwort wartete.
»Na schön«, sagte er mit einem tiefen Seufzer. »Schießen Sie los.«
Martinez nickte jemandem hinter dem Spiegel zu, bevor er sich an Skip wandte. »Bitte sagen Sie mir Ihren Namen, Ihre Adresse und Ihr Geburtsdatum.« Nachdem Skip die gewünschten Angaben gemacht hatte, fragte Martinez: »Sind Sie Eigentümer einer verlassenen Ranch hinter Fox Run, postalische Adresse Rural Route Nummer sechzehn, Briefkasten Nummer zwölf, Santa Fe, New Mexico?«
»Ja. Die Ranch gehört meiner Schwester und mir.«
»Heißt Ihre Schwester Nora Waterford Kelly?«
»Das stimmt.«
»Und wo hält sich Ihre Schwester im Augenblick auf?«
»Sie befindet sich auf einer archäologischen Expedition in Utah.«
Martinez nickte. »Wann ist sie zu dieser Expedition aufgebrochen?«
»Vor drei Tagen. Und sie kommt erst in ein paar Wochen zurück. Frühestens.« Skip machte abermals Anstalten aufzustehen. »Geht es hier um Nora oder um mich?«
Martinez bedeutete ihm mit einer Handbewegung, sich wieder zu setzen. »Ihre Eltern sind beide verstorben, nicht wahr?«
Skip nickte.
»Und Sie arbeiten momentan am Santa Fe Archaeological Institute?«
»Das habe ich wohl. Bis Sie dort aufgetaucht sind.«
Martinez grinste. »Seit wann sind Sie bei dem Institut angestellt?«
»Ich habe Ihnen doch schon im Wagen gesagt, dass heute mein erster Arbeitstag war.«
Martinez nickte abermals, diesmal etwas langsamer. »Und wo haben Sie bis zum heutigen Tag gearbeitet?«
»Nirgends. Ich war auf Jobsuche.«
»Verstehe. Und wo waren Sie davor angestellt?«
»Nirgends. Ich habe erst im vergangenen Jahr meinen College-Abschluss gemacht.«
»Kennen Sie eine Teresa Gonzales?«
Skip befeuchtete seine Lippen. »Klar kenne ich Teresa. Sie ist unsere Nachbarin auf der Ranch.«
»Wann haben Sie Ms. Gonzales zum letzten Mal gesehen?«
»Keine Ahnung. Ich würde sagen so vor zehn, elf Monaten. Kurz nachdem ich mein Examen gemacht hatte.«
»Und was ist mit Ihrer Schwester? Wann hat sie Ms. Gonzales zum letzten Mal gesehen?«
Skip rutschte auf seinem Stuhl herum. »Da muss ich erst mal nachdenken. Ich würde sagen vor ein paar Tagen. Teresa hat Nora geholfen, als sie draußen auf der Ranch war.«
»Was meinen Sie mit >geholfen«
Skip zögerte. »Nora wurde angegriffen«, sagte er dann langsam.
Martinez' Kiefermuskeln stellten einen Moment lang ihre Kauarbeit ein.
»Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir das etwas genauer zu erklären?«, fragte er.
»Teresa ruft Nora immer an, wenn sie Geräusche auf der alten Farm hört. Irgendwelche jungen Leute feiern dort manchmal Partys, aber es gibt auch echte Vandalen, die alles kurz und klein schlagen. In letzter Zeit häuften sich solche Vorfälle, und Teresa hat meine Schwester deshalb
Weitere Kostenlose Bücher