ThunderStorm
groß, der hat Gewalt nicht nötig. Keine Ahnung, wie ich ausgerechnet auf solch einen abstrusen Gedanken kam ...“ Sie lachte kopfschüttelnd. „Aber irgendwie wusste ich, dass er mir nichts tun würde und sprach ihn an. Baxter hat mich angesehen, die Stirn gerunzelt und dann meinte er, 'Bist du nicht zu jung, um um diese Zeit noch auf zu sein?'“
Gendry konnte nicht anders, als zu lachen. Das klang so typisch nach dem ruhigen Mann, den er durch Rachel kennengelernt hatte. „Das passt zu ihm.“
Rachel nickte. „Ja, tut es, und ich habe auch gelacht, genauso wie du. Das hat ihm wohl verraten, dass ich auf der Straße lebte.“ Sie zuckte die Schultern. „Auf jeden Fall schüttelte er den Kopf, nahm meine Hand und zog mich mit. Und ich ließ mich mitziehen. Die übrige Nacht verbrachte ich in seiner und Trents Einzimmerbude damit, mir den Bauch vollzuschlagen und mir all ihre neugierigen Fragen vom Leib zu halten, denn Trent roch sofort Lunte, als Baxter mit mir ankam. Und das war's dann. Sie haben mich dabehalten und dafür gesorgt, dass ich meinen Abschluss mache, damit ich eine Chance für ein Studium hatte. Sie haben mir geholfen mein Leben auf die Reihe kriegen, und vor allem waren sie für mich da. Das erste Mal in meinem Leben war da jemand, der mich nur um meiner Selbstwillen mochte und nicht, weil ich eine geborene Spencer bin.“
„Die beiden wurden deine Familie“, flüsterte Gendry begreifend. „Deine erste richtige Familie.“
„Ja.“ Rachel nickte erneut. „Sie haben sämtliche Jobs übernommen, für die eigentlich meine Eltern hätten da sein müssen. Sie waren immer da, wenn ich sie brauchte. Egal, was ich für Fragen oder Probleme hatte, ich konnte sie um Hilfe bitten.“ Rachel blickte ihn lächelnd an. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie schön das war. Ich weiß, dass es eigentlich falsch war, immerhin sind sie nicht meine Eltern und hatten offiziell gar keine Rechte, aber das war mir damals egal. Ich hatte endlich ein Zuhause. Ich wurde geliebt. Das erste Mal in meinem Leben wurde ich geliebt, einfach nur, weil ich da war. Das, was andere Kinder ihr Leben lang haben, wie Brian, Robb und du, habe ich erst mit siebzehn Jahren kennengelernt.“
22
'Ich bleibe hier. Bei Gendry. Da, wo ich hingehöre ...'
„Wie geht es ihr?“, fragte Trent beunruhigt und riss Gendry aus der Erinnerung an Rachels Worte.
Wieso ihm gerade die jetzt wieder eingefallen waren, wusste er zwar nicht, aber gegen das Lächeln, das sich im nächsten Moment in sein Gesicht schlich, konnte Gendry trotzdem nichts tun. Und er wollte es auch nicht. Rachel war vermutlich gar nicht bewusst, was sie vorhin gesagt hatte, aber das war auch unwichtig. Sie würde ihm schon irgendwann sagen, was sie für ihn fühlte.
Gendry rieb sich die Augen. „Sie schläft endlich. Wir haben eine ganze Weile geredet und irgendwann ist sie eingeschlafen.“
Bei Trent im Hintergrund hörte er Baxter murmeln. „Sollen wir vorbeikommen?“, fragte Trent, bevor Gendry nachhaken konnte, was Baxter wollte.
Eine gute Frage, dachte Gendry und zuckte ratlos mit den Schultern. „Ihr könnt jederzeit vorbeikommen, wir haben nichts dagegen. Wie Rachel darüber denkt, ist im Moment allerdings eine andere Frage. Sie war mit den Nerven etwas runter.“ Das war zwar untertrieben, aber die zwei mussten nicht alles wissen. „Kein Wunder bei der Mutter“, setzte er kopfschüttelnd hinterher.
„Die Frau ist wirklich das Allerletzte!“ Trent knurrte fast. „Zuerst werfen sie ihre eigenes Kind raus und jetzt das. Wenn ich nicht so nett wäre, in Bezug auf Frauen, dann ...“
„Trent“, tadelte Baxter und daraufhin schnaubte der.
„Ist doch wahr.“
Gendry musste ungewollt schmunzeln, denn ihm ging es wegen Rachels Mutter nicht viel anders. Aber Frauen schlug er nun mal nicht. Selbst dann nicht, wenn sie es verdienten. „Kommt einfach vorbei, sobald ihr könnt“, bat er dann, mit der Hoffnung, dass Rachel sich darüber freute, Trent und Baxter zu sehen. Immerhin hatten die beiden ihr damals das Leben gerettet.
„Ich tausche meine Schicht“, sagte Trent, ohne groß zu überlegen. „Ich habe bei Ben was gut, der kann heute Nacht im Club ran. Baxter kommt eh aus der Spätschicht und hat morgen frei. Wir sind in einer Stunde da, okay?“
Gendry nickte. „Geht klar.“
„Ähm, Gendry? Habt ihr zufällig etwas zu essen da? Wir wollten uns auf den Weg machen und einkaufen, als du angerufen hast.“
Trent war die Nachfrage hörbar
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