Thurner, M: Elfenzeit 18: Rache der Verbannten
Merlin.
»Warum?« Alebin nahm einen Schluck vom Met. »Es stärkt mich und meine Bindung zum Volk.«
»Unsinn!« Wie von einem Insekt gebissen sprang Merlin auf. »Ihr lasst uns jetzt allein!« Mit wenigen Handbewegungen scheuchte er die Untergebenen aus dem Saal und sorgte mit einigen genau abgezirkelten Fingerbewegungen dafür, dass die schweren Türen verschlossen blieben.
Danach stürmte er mit wehendem Mantel auf Alebin zu. Der Zauberer strotzte vor Kraft und Energie; in seiner Körperhaltung drückte sich kaum unterdrückte Wut aus. »Du begattest die Frauen gegen ihren Willen, und du verärgerst ihre Männer. Du stopfst in dich hinein, was den Arbeitern und Bauern auf ihren Tellern fehlt. Du hältst dir Handlanger, die jede deiner Anweisungen bejahen – und mit deinem Wissen das Volk weiter ausbeuten. Glaubst du etwa, ich habe dieses kleine Reich als deine Spielwiese geschaffen? Ich habe dir gezeigt, wie es geht; ich habe dir Ideen und Anstöße gegeben in der Hoffnung, weitere Bewegungen in deinem Kopf zu bewirken.«
»Ich glaube nicht, dass ich meine Sache schlecht mache«, hielt Alebin entgegen. Er kannte die Launenhaftigkeit des Zauberers nur zu gut. Merlin würde sich bald wieder beruhigen. »Jedermann geht es gut. Das Volk liebt mich; es ruft mir begeistert zu, wenn ich hinab in die Dörfer und zum Hafen gehe. Binnen weniger Jahre haben sich weit mehr als zweitausend Menschen hier angesammelt …«
»… von denen die meisten schon wieder mit dem Gedanken spielen, von hier zu verschwinden. Dein Ruhm verblasst rasch! Auf deine großartigen Ankündigungen hast du keine Taten folgen lassen. Fühlst du denn die Unruhe nicht?«
»Die Menschen sind immer unruhig. Irgendwie.«
Merlin schnaufte empört durch die Nase, bevor er etwas ruhiger weitersprach. »Du bist der Auserwählte, Alebin; so wurde es mir kundgetan. Du besitzt alle Anlagen, die notwendig sind, um die Bewohner dieses Landes zu einen, sie zu regieren und als Vorbild weit über die Inselgrenzen hinaus zu wirken. Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass mit dieser Vision Verpflichtungen verbunden sind, die dir nicht allzu viel Platz lassen, um deine eigenen Bedürfnisse zu stillen?«
»Viel zu oft. Komm zum Kern der Sache!« Der Alte regte ihn auf. Na gut: Merlin hatte ihn aus dem Sumpf gezogen, in den ihn seine Mutter gesteckt hatte. Aber gab ihm diese Tat das Recht, zeitlebens über ihn zu bestimmen?
»Ich möchte, dass dies alles ein Ende nimmt«, sagte der Zauberer leise. »Du wirst die Weiber nach Hause schicken und für die nächste Zeit allen Vergnügungen entsagen.« Er trat auf Alebin zu und legte ihm eine schwere Hand auf die Schulter. »Noch kann alles gut werden, wenn du dich jetzt am Riemen reißt. Ich kann fühlen, was in dir steckt, Freund! Lass es frei. Gib dir selbst eine Chance!«
Alebin schob die Hand beiseite. »Du bist mir ein unendlich wertvoller Ratgeber«, sagte er und vermied jeglichen spöttischen Unterton. »Aber heute kann ich deine Hilfe nicht gebrauchen. Morgen, zur mittäglichen Besprechung, bin ich gerne bereit, mit dir über unsere weiteren Pläne zu verhandeln. Wenn du mich nun bitte entschuldigst …«
Er ließ den Zauberer stehen und trat durch das Tor hinter seinem Thron aus dem Saal. Schon von Weitem konnte er das Greinen der drei Frauen hören. Er würde sie mithilfe seines Charmes beruhigen und ihnen jene Bestätigung geben, Frau zu sein, die sie von ihren Männern nicht erhielten.
Als Alebin am nächsten Morgen erwachte, war Merlin verschwunden und sein Schatten ebenfalls.
8 Dungeons and Dragons
Nadja huschte an der Bank auf halber Höhe des Turms vorbei, eilte durch den Frühstücksraum und gelangte hinab in das Vestibül, von dem aus das Hauptgebäude des Palastes erreichbar war. Elf weitere Gänge mündeten dort – und einen davon nutzten die Zwerge, die nächtens in die Burg marschiert kamen und Umbauarbeiten am Gebäude vornahmen. Auch nun dröhnte schrecklicher Lärm durch den Raum, vielfach verstärkt durch die engen Tunnelröhren.
Nadja drängte ins Halbdunkel einer schmalen Nische und wartete. Darauf, dass sich ihre Augen an das Zwielicht gewöhnten, und darauf, dass ein Trupp von Zwergen an ihr vorbeikam. Sie musste sich nicht allzu lange gedulden. Mehrere breit gebaute Gnomen verließen den Zwergentunnel. Zu ihrer Überraschung sangen sie ein Lied, während sie sich mit geschulterten Hacken im Gänsemarsch bewegten.
»Wir rackern und wir plagen uns die liebe, lange Nacht«,
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