Thurner, M: Elfenzeit 18: Rache der Verbannten
auf Alebin, pfui! Alles, was ich von nun an sage und tue, soll dir zum Vorteil gereichen.«
Nadja gab sich zögerlich. »Gesetzt den Fall, David wollte sich befreien: Würdest du ihn bei seinem Fluchtversuch unterstützen?«
»Ja. Aber ich wäre von geringer Hilfe. Die magischen Fuß- und Handfesseln sind zu dicht gewoben. Mir fehlen Kraft und Fähigkeiten, um sie zu lösen.«
»Aber du würdest ihn zum Beispiel im Kampf gegen Ethon unterstützen?«
»
Zum Beispiel?
Das ist mir ein schönes Beispiel! Es wäre mein sicherer Tod!«
»Genauso sicher wie der durch mein Schuhwerk, nicht wahr? Aber mit einem Unterschied: Du hättest etwas Zeit, um dich von deinen engsten Verwandten zu verabschieden …«
»Unmöglich! Das würde Jahre dauern. Allein meine Eltern und Stiefeltern …«
»… und dir einen Weg zu überlegen, wie du Ethon ein Schnippchen schlagen könntest.«
»Du lässt mir lediglich die Hoffnung auf ein Wunder«, gab sich der Kleine theatralisch. »Allein mir fehlen die Alternativen. Also gehorche ich.«
»Versprichst du es mir hoch und heilig?«
»Hoch und heilig.« Hadubey warf sich in Pose und gab einen halbmeterlangen Feuerfaucher von sich. »Ich bin dein, auf immer und ewig.«
»Wir werden sehen, wie lange immer und ewig anhalten«, murmelte Nadja. »Und jetzt bring mich bitte zum Zwergensee zurück. Ich habe länger herumgetrödelt, als ich beabsichtigte.«
Hadubey führte sie, und binnen kürzester Zeit erreichten sie das Ufer des mit Wasser und Schätzen gefüllten Aushubs. Schlafende Zwerge sonder Zahl säumten den Rand des kleinen Gewässers. Hastig nahm Nadja »ihr« Werkzeug an sich und suchte nach einem weiteren Opfer, dessen Platz sie auf dem Weg nach oben einnehmen konnte. Es waren nur noch wenige Gruppen in Richtung Schloss unterwegs, der Gegenverkehr war umso dichter.
Kam sie zu spät? Würden die Wächter vor ihrer Kemenate den Schwindel durchschauen und die ungeduldige Harpyie zu plaudern beginnen?
Nadja verabschiedete sich in aller Eile von ihrem neu rekrutierten Helfershelfer und folgte einem vor Müdigkeit wie betäubt dahinwankenden Zwerg, um ihm die Kopfschmerzen seines Lebens zu verpassen …
»Du hast mehr Glück als Verstand!«, zischte Podarge. Ihr Gesicht, das eine verknitterte und übermüdete Nadja darstellte, verrann und machte dem abgrundtief hässlichen Antlitz einer Harpyie Platz. »Das ist bereits das dritte Mal an diesem Morgen, dass ich den Abtritterker aufsuche. Hätte ich dich diesmal nicht hier angetroffen, hätte ich die Scharade auffliegen lassen.«
»Es tut mir leid, Podarge. Es dauerte länger, als ich angenommen hatte. Ich musste während des Rückmarschs einige Tricks anwenden, um dem Misstrauen der Zwerge zu entgehen.«
»Was du getrieben hast und mit wem, ist mir einerlei, Abstößliche! Hast du eine Ahnung, welchen Qualen ich ausgesetzt war? Mir ist speiübel von deinem Aussehen. Wie hältst du es bloß in deiner Haut aus?«
»Reine Übungssache«, antwortete Nadja matt. »Ich hoffe, die Wächterinnen haben keinen Verdacht geschöpft?«
»Podarge ist eine Meisterin des Tarnens und Täuschens. Sie entstammt einem edlen Geschlecht, dessen Intelligenz und Anmut weithin gerühmt werden.« Die Harpyie warf sich stolz in die Brust, öffnete die Abdeckung eines Abtritts und stellte sich mit den dürren Krähenbeinen auf dessen Seitenränder. »Weißt du, was dir blüht, falls du dein Versprechen brichst?«
»Sicherlich nichts Gutes, Podarge. Aber keine Angst: Mein Sohn und ich stehen zu unserem Wort. Das Symbol der Harpyie wird von nun an unser Familienwappen zieren.«
»Dann bin ich zufrieden.« Podarge ließ sich in das Loch fallen, die Rutsche hinab, die entlang der Außenmauer des Palastes reichte. Ihre Stimme klang ein letztes Mal auf, von einem Echo stark verzerrt. »Wenn du nochmals meine Dienste benötigst«, hallte es hoch, »ruf mich. Ich bin jederzeit bereit, dem neuen Herrn von Lyonesse eins auszuwischen.«
»Gut zu wissen«, murmelte Nadja. Sie klappte den Deckel zu, zog ihr Nachtgewand über, öffnete die Tür des Abtritterkers und schlich sich, mit schmerzverzerrtem Gesicht und beide Hände gegen den Bauch pressend, an übermüdet wirkenden Wachelfen vorbei, zurück in ihre Gemächer.
Müde ließ sie sich aufs Bett plumpsen. Sie hatte es geschafft!
Ihre Gedanken verfinsterten sich gleich wieder. David ging es zwar – den Umständen entsprechend – gut, und er hatte ihr Zuversicht geschenkt. Irgendwann würde er die Kraft
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