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Thurner, M: Elfenzeit 18: Rache der Verbannten

Thurner, M: Elfenzeit 18: Rache der Verbannten

Titel: Thurner, M: Elfenzeit 18: Rache der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
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ähnelte damit einem Köhler. Er bewegte sich so unbeholfen, als wäre er eben erst geschlüpft und wüsste noch nicht, wie er sich über Wasser halten sollte. Die Mutter drehte sich um, quakte dem neu Hinzugekommenen gehörig ihre Meinung und flatterte nachdrücklich mit den Flügeln.
    Arne fühlte ein leichtes Rupfen an der Angel. Vorsichtig zog er an der Rute. Nein, da war nichts. Der Haken hatte sich an einem treibenden Stück Holz verfangen. Er unterdrückte einen Fluch – mit Hildes bösen Blicken und Hildes gerunzelter Stirn im Kopf, denn ihrer Meinung nach sah und hörte Gott alles – und warf die Angel nochmals aus.
    Müdigkeit machte sich in ihm breit, und nur allzu gerne gab Arne dieser zarten Versuchung nach. Auch wenn Trägheit eine der großen Sünden war und vom Allmächtigen bestraft wurde – Arne hatte mit seinen bald vierzig Jahren sicherlich weniger geschlafen als manch zwanzigjähriger Städter. Ja; er hatte sich eine Schlummerstunde verdient.
    Also döste er vor sich hin und ließ seine Gedanken schweifen. Er überlegte sich, was hätte sein können; wenn er nicht eine schwindsüchtige Amme und einen armseligen Säufer als Eltern gehabt hätte. Wenn er in Odense aufgewachsen und eine vernünftige Erziehung genossen, wenn er auf Daunenbetten und nicht auf Holzlatten oder Gras geschlafen hätte …
    Die mittsommerliche Sonne brannte ihm ins Gesicht. Schlaftrunken griff Arne nach dem Krug, nahm einen Schluck vom Sauerbier und tastete dann nach der Weidenrute. Die Fische zeigten kein Interesse, nach dem Haken zu schnappen. Die jungen Entlein kreisten um die Landzunge, auf der er es sich bequem gemacht hatte, und übten unter dem strengen Kommando ihrer Frau Mama. Sie tauchten die kleinen Schnäbelchen ins Wasser, streckten die Bürzel, so hoch es ging, in die Luft. Mal versuchten sie sich in Alarmgequake, mal trainierten sie den gleichmäßigen Wasserschlag ihrer orangefarbenen Plattfüße.
    Nur das graue, hässliche Entlein, der Nachzügler, kämpfte mit den Übungen. Die Mutter fauchte es an und biss dem Küken mitunter in den Nacken. Arne konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass selbst die Geschwister über die Tollpatschigkeit des Grauen lachten.
    Abermals schlummerte Arne weg. Das wässrige Bier, die Hitze, das Summen der Sommerfliegen, die jahrelang verdrängte Sehnsucht nach mehr Ruhe und mehr Schlaf – all dies überlagerte sein Denken und drängte ihn in ein Traumland zwischen Sein und Schein.
    Unter halb geschlossenen Augenlidern sah er dem bunten Treiben der Entenfamilie zu. Arne registrierte, wie sich das hässliche Entlein gegen die böse schimpfende Mutter zur Wehr setzte, wie es unerwartet laut gegen sie ankrächzte. Das Tier schien zu wachsen. Es breitete seine Flügel aus; sie peitschten über die Wasseroberfläche und trieben so viel Wind vor sich her, dass seine Geschwister kaum noch dagegen ankämpfen konnten. Panisch paddelten sie ins nahe Schilf, um sich dort zwischen eng stehenden Halmen zu verstecken, während die Mutter versuchte, ihr Kind zur Räson zu bringen. Sie näherte sich dem Grauen, der bereits so groß wie sie selbst war, biss ihm in den Hals – und zuckte erschrocken zurück, um in unerwarteter Eile das Weite zu suchen.
    Was ging da vor sich? Arne wusste nicht, ob er wachte oder schlief. Alles an ihm war taub, schwer, unbeweglich. Und aus dem so kleinen, so hässlichen Entenleib trieb etwas Fremdes hervor. Es schälte sich aus seiner vermeintlichen Haut, zerfetzte sie – und schrie seinen Triumph weit in die Welt hinaus. Ein schwanähnliches Geschöpf wuchs und wuchs in den Himmel hinein, der sich völlig unerwartet verdunkelte. Blitze zuckten über das Firmament, während sich der Schwan mit schwerem Flügelschlag zu einer Pose des Triumphs aufrichtete. Er entdeckte Arne. Der Köhler glaubte, einen prüfenden Blick zu spüren, der bis tief in seine Seele vordrang. Dann wandte sich der Teufelsschwan ab. Seine Federn fingen Feuer. Er flatterte in die düstere, wolkenverhangene Sonne, um mit ihr zu verschmelzen, und hinterließ nichts als brennendes Wasser …
    Arne schreckte hoch, sah sich um. Alles war ruhig, ein sanfter Wind wehte durchs Schilf und ließ die Stiele leise gegeneinander klopfen. Von den Entlein war nichts zu sehen.
    »Ein Traum«, murmelte er. »Ein Traum, den mir der Leibhaftige eingepflanzt hat. Weil ich gesündigt und mich der Trägheit hingegeben habe.«
    Seine Beine fühlten sich klamm und steif an. Mit den üblichen Schmerzen in

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