Thurner, M: Elfenzeit 18: Rache der Verbannten
war vom säuerlichen Geruch der Arbeit übertüncht gewesen.
Alebin dachte nach. »Ist denn heute nicht der Tag der Rechtsprechung in Lyonesse?«, fragte er lauernd.
Cunomorus zuckte zusammen. Wie schön.
»J… ja«, antwortete er zögernd.
»Ich wäre hocherfreut, wenn ich dir bei deiner Arbeit zusehen dürfte. Willst du mir diesen klitzekleinen Gefallen tun?«
Die Bitte war ein Befehl. Alebin wusste es, und der Elf an seiner Seite wusste, dass er es wusste.
Cunomorus drückte mit einem seiner langen, zartgliedrigen Finger auf den Rücken des
Gongschlägers
. Der derb aussehende Zwerg erwachte aus seinem Halbschlummer. Kupferne Patina, die er während der letzten Stunden angelegt hatte, blätterte von ihm ab. Verwirrt blickte er sich um und machte sich mit verdrießlichem Gesicht an die Arbeit. Die tiefe Furche, durch die er Anlauf nahm, zeugte vom häufigen Gebrauch seiner Dienste. Hart rammte der Zwerg den Schlegelkopf gegen den Messing-Körper des Gongs. Ein dumpfer, tiefer Ton erfüllte den Thronsaal. Dann drehte sich das kleine Dienerwesen taumelnd um, grinste dümmlich und trabte zurück zu seinem Sitzplatz, um gleich darauf wieder einzuschlafen.
Das breite Haupttor des Hauptsaals öffnete sich. Ein hochgewachsener Elf, den Alebin als den Truchsess Nymen erkannte, trat ein. »Du wünschst?«, fragte er nach einer angedeuteten Verbeugung.
»Gibt es Volk, das der Rechtsprechung bedarf?«, fragte Cunomorus.
»Es ist niemand gekommen,
Herr
.« Der verächtliche Unterton in Nymens Stimme war nicht zu überhören. »Die Bürger von Lyonesse wälzen derzeit andere Sorgen.«
»Und dennoch geht das Leben weiter«, sagte Alebin anstelle des Königs. »Willst du mir weismachen, dass das Getreide nicht mehr wächst und dass der Bäcker nicht mehr bäckt? Brennt kein Feuer mehr in den Stuben, wird nichts mehr gegessen?«
»Natürlich, Alebin, aber …«
»Wo Mensch und Elf miteinander auskommen müssen, gibt es immer Streitigkeiten!«, unterbrach Alebin schroff. »Der König möchte sich dem Volk zeigen und seine Weisheit unter Beweis stellen. Dieses stolze Land mag von äußeren Kräften bedroht sein. Wir mögen uns fürchten, aber wir werden niemals akzeptieren, dass jemand anders als wir selbst unser Leben bestimmt. Habe ich recht, Cunomorus?«
»Ja«, sagte der König verdrießlich und winkte ab. »Folge dem Wunsch meines Beraters, Nymen.«
»Wie du wünschst, Herr.« Erneut verbeugte sich der Truchsess.
Bevor er den Saal verließ, warf er einen besorgten Blick auf die Bestie, deren Krallen mit einem grässlichen Geräusch aus den so sanft scheinenden Pfoten hervorglitten.
»Du hast gute und treue Gefolgsleute, Cunomorus«, sagte Alebin. »Sie gehorchen wie treue Hunde.«
Der König schwieg – wie auch der schottische Elf.
Er hatte einen Fehler begangen und sich selbst an die irische Wolfshündin Cara erinnert, die ihm so viele Jahre lang zur Seite gestanden hatte.
Ein Bauer, dem ein gewisser Anteil an elfischem Blut ins blasse Gesicht geschrieben stand, beklagte sich über einen Nachbarn, der ihm einen schmalen Grenzstreifen und den Zugang zu einer Quelle streitig machte. In sich versunken hörte Cunomorus zu, dann fällte er ein salomonisches Urteil: Beide Parteien mussten auf einen Teil ihrer Ansprüche verzichten.
Eine Rosenzüchterin mit Grazie und bemerkenswerter Schönheit deutete auf einen mitgebrachten Strauß ihrer Blumen. Er war verdorrt und von Läusen befallen. »Das war die Sippe der Lypex-Zwerge, die unter meinem Land haust und es mit ihren Gängen unterminiert!«, klagte sie. »Sie sammeln wertvolle Insekten, um mit ihnen ihre Mahlzeiten zu würzen, und sie lassen Schädlinge zu, die sich ungehindert vermehren.« Die Dame zog eine Schnute. »Ich habe nichts gegen die Lypex; aber sie vermehren sich wie die Nickel, und sie halten sich nicht an die alten Abmachungen.«
»Ich werde mich mit Charastys, dem Oberhaupt der Lypex, unterhalten«, sagte der Elfenkönig unverbindlich und warf einen Blick auf den Gongschläger.
Der wieder versteinerte Zwerg entstammte dem Geschlecht der trägen Lypex. Er und einige weitere Haushaltshilfen waren Teil einer Abmachung zwischen Cunomorus und Charastys gewesen. Der König würde mit seinen Forderungen vorsichtig sein müssen, wollte er den gesellschaftlichen Frieden in Lyonesse wahren.
»Ein Sachwalter wird sich die Schäden ansehen, die durch die Arbeit der Zwerge entstanden sind«, fuhr Cunomorus fort. »Sollten sie tatsächlich so groß sein,
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