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Thursday Next 01 - Der Fall Jane Eyre

Thursday Next 01 - Der Fall Jane Eyre

Titel: Thursday Next 01 - Der Fall Jane Eyre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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und bei ihren Verwandten, den Rivers, unterkommt.«
    »Der Name ihrer Verwandten ist mir durchaus geläufig, junger Mann.«
    »Also, sie läßt sich mit diesem schleimigen St. John Rivers ein, heiratet ihn aber nicht, die beiden setzen sich nach Indien ab, und damit ist das Teil zu Ende? Das kann doch nich’ sein! Was wird aus Rochester und seiner verrückten Frau? Wie wär’s denn mit ’nem Happy End?«
    Die Museumsführerin schaute finster drein. »Wie hätten Sie’s denn gern? Sollen Gut und Böse sich in den Gängen von Thornfield Hall vielleicht einen Kampf auf Leben und Tod liefern?«
    »So hab ich das nicht gemeint«, fuhr der junge Mann leicht verärgert fort. »Aber das Buch schreit doch geradezu nach einem starken Schluß, der sämtliche Erzählstränge miteinander verknüpft und die Geschichte zu einem befriedigenden Ende bringt. Für mich sieht es allerdings eher so aus, als ob ihr schlicht die Puste ausgegangen wäre.«
    Die Museumsführerin starrte ihn durch ihre Nickelbrille durchdringend an und fragte sich offenbar, weshalb die Besucher sich nicht einfach wie Schafe benehmen konnten. Leider hatte der Mann nicht ganz unrecht; sie hatte schon des öfteren über den schwachen Schluß des Romans nachgedacht und sich – wie Millionen anderer Leser – gewünscht, die Umstände hätten es Jane und Rochester gestattet, doch noch den Bund der Ehe einzugehen.
    »Manche Dinge werden ewig ein Geheimnis bleiben«, erwiderte sie unverbindlich. »Da Charlotte nicht mehr unter uns weilt, erübrigt sich diese Frage von selbst. Wir können nur das studieren und genießen, was sie uns hinterlassen hat. Außerdem macht ihre überaus lebendige Sprache die winzigen Unzulänglichkeiten des Romans mehr als wett.«
    Der junge Amerikaner nickte, und die kleine Gruppe, darunter auch meine Tante und mein Onkel, gingen weiter. Ich blieb zurück bis außer mir und einer japanischen Touristin niemand mehr in Saal war; dann stieg ich auf die Zehenspitzen und versuchte da Originalmanuskript von
Jane Eyre
zu lesen. Was sich als nicht ganz leicht erwies, da ich für mein Alter ziemlich klein war.
    »Soll ich es dir vorlesen?« fragte eine freundliche Stimme dich neben mir. Es war die japanische Touristin. Sie schenkte mir ein Lächeln, und ich dankte ihr für ihre Mühe.
    Sie vergewisserte sich, daß niemand in der Nähe war, setzte ihn Brille auf und fing an zu lesen. Sie sprach hervorragend Englisch und hatte eine wunderbare Lesestimme; die Worte perlten von Papier und beflügelten mein Vorstellungsvermögen.
    … Damals spukten noch allerlei Phantasien in meinem Kopf Geistergeschichten aus meiner Kindheit kamen mir wieder in den Sinn; und da ich kein Kind mehr war, nahmen sie eine Kraft und Lebendigkeit an, die über das Gruseln eines verschrecktet kleinen Mädchens hinausging …
    Ich schloß die Augen, und plötzlich erfüllte ein leichter Frost die Atmosphäre ringsum. Die Stimme der Touristin war mit einem Mal ganz klar, so als spräche sie im Freien, und als ich die Augen wieder aufschlug, war das Museum verschwunden, und ich stand auf einen Feldweg. Es war ein herrlicher Winterabend, und die Sonne versank am Horizont. Kein Lüftchen regte sich, und die Farben verblaßten Abgesehen von ein paar Vögeln, die von Zeit zu Zeit durch die Hecke huschten, lag die Landschaft gänzlich starr und unbewegt Schaudernd sah ich, wie sich mein dampfender Atem in der kühler Luft kräuselte, zog den Reißverschluß meiner Jacke zu und bereute daß ich Mütze und Handschuhe daheimgelassen hatte. Ich schaut mich um und stellte fest, daß ich nicht allein war. Kaum drei Meter entfernt saß eine junge Frau in Mantel und Haube auf einem Zauntritt und betrachtete den aufgehenden Mond. Als sie den Kopf wandte, sah ich, daß ihr Gesicht auf den ersten Blick unscheinbar und reizlos wirkte und dennoch von innerer Kraft und Entschlossenheit zeugte. Ich starrte sie mit gemischten Gefühlen an. Ich hatte vor nicht allzu langer Zeit erkannt, daß auch ich keine Schönheit war, und selbst im zarten Alter von neun Jahren schon mehrfach mit ansehen müssen, wie hübschere Kinder bevorzugt wurden. Doch die junge Frau hier war der lebende Beweis dafür, daß sich diese Prinzipien umkehren ließen. Ihre Haltung unbewußt nachahmend, hob ich den Kopf und reckte das Kinn.
    Ich wollte sie gerade fragen, wohin das Museum verschwunden sei, als uns ein Geräusch herumfahren ließ. Es war ein heranpreschendes Pferd, und im ersten Moment wirkte die junge Frau

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