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Thursday Next 03 - Im Brunnen der Manuskripte

Thursday Next 03 - Im Brunnen der Manuskripte

Titel: Thursday Next 03 - Im Brunnen der Manuskripte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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hab einen Orden bekommen.«
    »Aber du bist doch nicht wegen dem Lametta zurückgefahren?«
    »Es war meine Pflicht. Was denn sonst?«
    Das Getöse nahm zu, je näher ich dem Schauplatz des Feuerüberfalls kam. Ich spürte wie mein Panzer geschüttelt wurde. Das Dach sprang auf, und ein Sonnenstrahl fiel herein, ein Anblick von erschreckender Schönheit. Dieselbe unsichtbare Hand hob das Fahrzeug hoch und ließ es beinahe fliegen. Ein paar Meter fuhr ich auf einer Kette, dann fiel der Panzer wieder zurück in die Spur. Der Motor lief, der Schalthebel und das Lenkrad schienen in Ordnung, und so fuhr ich unbeirrt weiter. Erst als ich das Funkgerät einschalten wollte, wurde mir klar, dass die Granate das halbe Dach abgerissen hatte, und kurz darauf entdeckte ich einen blutenden Riss in meinem Gesicht.
    »Na schön, es war deine Pflicht, Thursday. Aber du hast es nicht für England, die Armee, das Regiment oder deine Einheit getan, Thursday, sondern für Anton, nicht wahr?«
    Plötzlich blieb alles stehen. Der Lärm, die Granaten, die Explosionen, einfach alles. Warum musste sie meinen Bruder ins Spiel bringen?
    »Anton«, flüsterte ich.
    »Ja, dein geliebter Bruder«, sagte Aornis. »Du hast ihn angebetet, nicht wahr? Von dem Tage an, als er dir ein Baumhaus im Garten gebaut hat, und vielleicht auch schon früher. Du bist in die Armee gegangen, um so wie er zu sein, nicht wahr?«
    Ich sagte nichts. Es war nur zu wahr. Tränen liefen mir über die Wangen. Anton war einfach der beste große Bruder gewesen, den sich ein Mädchen wünschen konnte. Er hatte immer Zeit für mich und bezog mich in alles ein, was er tat. Mein Zorn darüber, dass ich ihn verloren hatte, hatte mich länger getrieben, als ich wahrhaben wollte.
    »Ich habe dich hierher gebracht«, sagte Aornis, »damit du siehst, wie es ist, wenn man einen Bruder verliert. Wenn du den Mann finden könntest, der deinen Bruder umgebracht hat, was würdest du mit ihm machen?«
    »Anton zu verlieren war nicht das moralische Äquivalent dazu, dass ich Acheron töten musste«, rief ich. »Hades hatte es verdient zu sterben. Anton hat nur seine Pflicht getan, auch wenn es ein sinnloser Krieg war.«
    Wir waren vor den Überresten von Antons Schützenpanzer angekommen. Die Kanonen feuerten jetzt nur noch sporadisch und suchten sich ihre Ziele genauer. Ich hörte stattdessen Gewehrfeuer, als die russische Infanterie vorrückte, um den Rest zu erledigen und das Gelände wieder zu besetzen, auf das unsere Panzerbrigade so leichtfertig vorgerückt war. Ich versuchte, die hintere Klappe meines Schützenpanzers zu öffnen. Sie klemmte, aber das war längst egal, denn die Seitentür und das Dach fehlten ohnehin. So schnell ich konnte, packte ich zweiundzwanzig Verletzte in den Innenraum, der eigentlich nur acht aufnehmen konnte, und heulte die ganze Zeit. Dann fand ich meinen Bruder. Es war wie ein Autounfall: Man weiß, was passieren wird, und kann doch nichts tun.
    »He, Thuzzy!« sagte Anton mit der tiefen Stimme, die ich so gut kannte. Nur er hatte je diese Kosenamen benutzt. Ich öffnete die Augen, und da war er in voller Lebensgröße und lächelte, trotz der Gefahr.
    »Nein!« rief ich, obwohl ich genau wusste, was jetzt kommen würde. »Halt! Komm nicht her!«
    Aber er tat es, so wie er es in all den Jahren getan hatte. Er kam aus der Deckung und humpelte auf mich zu. Die Flanke meines Panzers war weit aufgerissen, und ich sah ihn genau.
    »Bitte nicht!« schrie ich, die Augen voll Tränen. Die Erinnerung an diesen Augenblick verfolgte mich jahrelang. Alle Arbeit, in die ich mich stürzte, half nichts.
    »Hol mich, Thuz-!«
    In diesem Augenblick traf ihn die Granate.
    Er explodierte nicht etwa; er verschwand bloß in einer Art rotem Nebel. Ich kann mich nicht daran erinnern, wie ich zurückgekommen bin. Später erfuhr ich, dass man mich verhaften und mit Gewalt im Quartier halten musste, um zu verhindern, dass ich zurück auf das Schlachtfeld fuhr, um meinen Bruder zu suchen. Erst an den nächsten Morgen erinnere ich mich wieder, als Sergeant Tozer mir sagte, ich sollte duschen und aufstehen. Ich erinnere mich noch, auf die kleinen Knochensplitter getreten zu sein, die beim Duschen aus meinen Haaren gespült worden waren.
    »Das möchtest du gerne vergessen, nicht wahr?« sagte Aornis und lächelte mir durch den heißen Dampf zu. Ich versuchte, sie am Hals zu packen, aber meine Finger griffen ins Nichts. Ich fluchte und schlug mit der Faust an die Wand.
    »Alles in

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