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Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin

Titel: Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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des arroganten jungen Tech. Sogar der Vermittler verlor die Beherrschung und glotzte mit aufgerissenem Mund vom einen zum anderen. »Was?« sagte sie, und Cress wiederholte es wie ein Echo.
    »Er hat nicht gewartet! Er hat nicht auf den Vermittler gewartet!« Elsevier preßte mit einem entzückten Aufschrei ihre Hände gegen die Wangen. »Oh, schaut euch doch diesen alten Mann an! Sein Leben lang hat er auf diesen Augenblick hingearbeitet, obwohl er genau wußte, daß er möglicherweise niemals eintreten würde ... Und jetzt ist es doch passiert!« Ein ständig anschwellendes Geräusch wurde im Saal laut, während der junge Tech sich abwandte und wie in Trance den Erfassungsbereich der Kamera verließ. Jemand in einer grauen Robe und mit autoritärem Aussehen nahm seinen Platz ein und gebot Ruhe.
    »Was ist geschehen?« Mond kauerte sich zusammen und umklammerte angespannt ihre Knie mit den Armen.
    »Der Tech hat sich selbst vergessen«, keuchte Elsevier. »Er hat Singalu direkt angesprochen – als Gleichgestellten –, und nicht durch den Vermittler. Und das vor Millionen Zeugen!«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Jetzt ist Singalu ein Tech!« lachte Elsevier. »Eine Methode, auf Kharemough zu Rang und Ehren zu kommen, ist, von einem Ranghöheren dorthin gehoben zu werden, indem er den Niederen direkt anspricht, als Gleichgestellten. Genau das ist soeben geschehen.«
    »Was wäre geschehen, wenn Singalu den Tech direkt angesprochen hätte? Wäre der dann zum Unklassifizierten geworden?« Mond betrachtete den drahtigen, flaumhaarigen alten Mann, der, ohne sich seiner Tränen zu schämen, weinend am Podium saß, aber über den Tränen grinste. Ihre eigene Kehle war wie zugeschnürt, und auch Elsevier neben ihr wischte sich Tränen aus den Augen.
    »Nein, nein, der Tech hätte ihn ganz einfach wegen öffentlicher Beleidigung festsetzen lassen ...« Elsevier verstummte, denn der Graugekleidete trat in diesem Augenblick auf Singalu zu und umarmte ihn als Gleichgestellten und gratulierte ihm von Angesicht zu Angesicht. »Oh, wenn TJ das doch noch hätte miterleben können, wenn er sehen könnte ...«
    »Und sollte er nicht teilhaben gleichermaßen an dem dunklen Augenblick, wenn der junge Mann, der es verursachte, heute nacht nach Hause geht und Gift trinkt?«
    »KR?« Sie beide wandten sich nach der Stimme an der Tür um. Mond sah einen einst hochgewachsenen Mann, der nun von der Last der Jahre gebeugt war – obwohl die Kharemoughi den Alterungsprozeß wesentlich geschickter verlangsamten als alle anderen, die das Wasser des Lebens nicht besaßen. Sie blinzelte und betrachtete ihn ein zweites Mal, doch auch beim zweiten Blick veränderte sich seine braune Hautfarbe nicht, und nicht einmal der weite Kaftan konnte die äußeren Merkmale hohen Alters verbergen. Aber das war doch TJs jüngerer Bruder, wie hatte er nur so sehr altern können?
    »Ja, KR«, sagte Elsevier zurücksinkend und strich ihr Kleid glatt. »Auch dabei hätte er mitgelitten. Auch wenn der junge Narr selbst an allem schuld ist und vielen hier allgemein das Wort ›Lieber Tod als Entehrung‹ etwas zu leicht über die Lippen geht. Habt Ihr denn auch an der Freude des alten Singalu teil?« Auch bei Aspundh wurde das formelle
Ihr
nicht von dem vertraulicheren
du
ersetzt.
    Er grinste, hart an der Grenze zu einem gutmütigen Lachen. »Ja, das habe ich. Er selbst hat sich entpuppt als schlau und würdig im Laufe der Jahre – und das wieder einmal beweist, daß unser System funktioniert zur Auswahl von Intelligenz und Initiative, ungeachtet all dessen, was TJ tat, es umzukehren von Kopf bis Fuß, helfend jedem Niedergeborenen, der ihn auslachte.«
    »KR, wie kannst du so etwas sagen? Du weißt, daß die Hochwohlgeborenen ihre Reinheit wie Jungfrauen beschützen! Niemand erheben deinen Vater wollte, der größten Geister seiner Zeit!«
    »Aber ich bin erhoben worden.« Er zuckte gleichgültig die Achseln. »Mein Vater gab sich zufrieden. Er wußte, es beizeiten würde eintreten.«
    »Als es gab genügend Geld auf der Bank, die Adoption durch einen respektablen Ahnen zu bezahlen«, sagte Cress.
    Aspundhs Ausdruck verlor nichts von seiner Liebenswürdigkeit. Mond nahm nicht an, daß er Tiamatanisch sprechen würde. »Es ist eine äußerst wissenschaftliche Gesellschaftsstruktur, durchaus angemessen unserer technologischen Orientierung. Und sie funktioniert – für immer erhob sie uns aus dem Chaos des Prä-Raumfahrt-Zeitalters. Sie hat uns ein Jahrtausend stabilen

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