Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin
Biopurist hörst du dich schon an.«
Der erste Mann hakte scheinbar zornig die Hände im Gürtel ein.
»Was stimmt denn mit dem Himmel nicht?« Mond wandte den Blick nur widerwillig ab. »Er ist voller Licht.«
Wie es sich gehört.
»Es ist wunderschön.«
Der erste Mann sah sie mit leichtem Stirnrunzeln an, lächelte dann aber unerwartet. Er schüttelte den Kopf, aber es schien mehr aus Sorge denn aus Zorn. »Unwissenheit ist wonnevoll, Bürgerin. Freuen Sie sich, daß Sie keine Kharemoughi sind.« Ein Schwebefahrzeug verlangsamte vor ihnen, sie stiegen ein.
»Willkommen auf Kharemough«, sagte Cress betont in Tiamatanisch, »wo die Götter Sandhi sprechen.« Er grinste sie an.
Elsevier rief das nächste Taxi, der Kharemoughi Nontech bedachte sie mit einem Blick milder Verwunderung, als sie die Niederlassung von KR Aspundh angab. Sie hielt daraufhin die Hand hoch und zeigte ihm den rubinroten Siegelring, den sie am Daumen trug. Er wandte sich kommentarlos wieder den Kontrollen zu und startete in weiten Kreisen über dem Landefeld.
»Aber was stimmt nun wirklich nicht mit dem Himmel?« Mond sah zur Taxikuppel hinaus. Der Himmel wurde heller, die Aurora verblaßte vor dem Tageslicht.
»Industrieverschmutzung«, sagte Elsevier leise. »Sind wir auf ewig dazu verdammt, die Fehler unserer Ahnen zu machen? Ist die Geschichte erblich oder umweltbedingt?‹«
»Schön gesagt«, meine Cress, der im Sitz neben dem Piloten saß und nach hinten blickte.
»TJs Worte.« Elsevier wies das Kompliment wie ein Schimpfwort von sich. »Auch nach dem Untergang des Alten Imperiums war Kharemough noch vergleichsweise gut dran, Mond. Es gab noch eine industrielle Basis – doch die Härten waren groß, wie anderswo auch, nachdem man vom interstellaren Handel abgeschnitten worden war, der den Planeten unterstützt hatte. Die Bewohner mußten lernen, alles selbst herzustellen, was ihnen auch gelang, wenn auch auf gröbere und weniger effiziente Weise. Sie mußten die Konsequenzen von Umweltverschmutzung und Überbevölkerung büßen, vor einem Jahrtausend hätten sie ihren Planeten fast vernichtet, bevor sie die saubere Wasserstoffusion entwickelten und den größten Teil ihrer Industrie ins Weltall verlagern konnten. Doch inzwischen haben sie ihre alten Probleme zugunsten neuer gelöst – die sind gegenwärtig zwar noch nicht besonders brisant, aber wer weiß, welche Folgen sie für spätere Generationen haben können? Ursache und Wirkung, aus diesem Kreis gibt es kein Entrinnen.«
Mond berührte die Tätowierung unter dem Kragen ihres Kleides und sah an Silky vorbei hinunter zu dem Meer aus Grün unter ihnen. Sie beugte sich dabei von ihm weg, denn sie wußte, er fürchtete ihre Berührung immer noch, während sie insgeheim von seiner glänzenden, fremden Haut abgestoßen wurde. Sie schwebten über einem schmalen Band der Stadt – zumeist, soweit sie das sehen konnte, Warenhäuser und Geschäfte aller Arten, die noch nicht zum täglichen Leben erwacht waren, nur ganz wenige Apartments oder Häuser. Nun überflogen sie einen Wald, der von einzelnen Lichtungen durchbrochen wurde, auf denen Einfamilienhäuser standen. »Ich dachte, es gäbe immer noch zu viele Menschen hier, Elsie. Aber es scheint weniger dicht bevölkert als unsere Inseln.«
»Das ist auch so, Liebes, aber so viele sind draußen im All, daß die Planetenbewohner jeden Raum zur Verfügung haben, den sie wollen – und den sie sich leisten können. Sie sind um die Verteilungszentren herum ansässig, von denen sie alles bekommen, was sie brauchen. Je wohlhabender man ist, desto weiter draußen kann man wohnen. KR lebt ein weites Stück draußen.«
»Also ist er reich?«
»Reich?« Elsevier kicherte. »Oh, schäbig reich ... das hätte alles TJ gehören müssen, er war der Älteste, aber wegen seines skandalösen Verhaltens wurde er gemaßregelt und seines Rangs enthoben. Ich bin sicher, daß er das absichtlich getan hat – er verabscheute das Kastensystem. Nicht so KR, er gehörte immer zu den Befürwortern des Status quo. Er und TJ sprachen nicht einmal miteinander.«
»Warum sollte er uns dann sehen wollen?« Mond bewegte sich unbehaglich.
»Er wird uns einlassen, sei unbesorgt.« Wieder berührte das rätselhafte Lächeln ihr Gesicht. »Ich will dir kein schlechtes Bild von ihm vermitteln, er ist ein guter Mensch, er lebt ganz einfach nach anderen Wertmaßstäben.«
»Alle Kharemoughis sind intolerant«, sagte Cress. »Sie sind lediglich hinsichtlich
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