Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin
herein, den der Aufprall in die Kanzel gerissen hatte. Die Konstruktion des LB wogte unter ihren Füßen, das Donnern des wütenden Wassers hallte laut um sie herum.
Über Elseviers Sitz war der Kegel immer noch an Ort und Stelle, als hätte er sich überhaupt nicht ... Mond betrachtete Elseviers Gesicht, sie hatte plötzlich Angst vor dem Hinsehen und konnte sich doch nicht abwenden.
Ein rötliches Rinnsal strömte über Elseviers ebenholzfarbene Oberlippe, doch sie blickte auf – und ließ den Kopf wieder auf die Polsterung sinken. »Nichts weiter, Liebes ... nur Nasenbluten ... Ich mußte meine Nachricht beenden. Ngenet kommt.« Sie schloß die Augen wieder und atmete flach, als würde die schwere Hand der Gravitation sie immer noch niederdrücken ... als hätte sie sie bereits zerschmettert. Sie blieb bewegungslos sitzen und hob nicht einmal einen Finger, wie eine Frau, die alle Zeit der Welt zur Verfügung hat.
Mond schluckte, schluchzte, lächelte dann aber und berührte mit größter Zärtlichkeit ihre Schulter. »Wir sind unten, Elsie. Du hast uns gerettet. Jetzt ist alles in Ordnung. Es ist vorbei.«
»Ja.« Die blau-violetten Augen blickten seltsam überrascht. Elsevier beobachtete verblüfft etwas, das sich ihrer Wahrnehmung entzog. »Mir ist so kalt.« Ihre Gesichtsmuskeln zuckten unkontrolliert.
Und plötzlich wurden ihre Augen blicklos.
»Elsie? Elsie?« Monds Hand umklammerte ihre Schulter, sie schüttelte sie, ließ sie wieder los ... sie reagierte nicht. »Silky ... « – sie drehte sich nur halb um, da sie sich nicht abwenden wollte –, »... sie ist doch nicht ... Elsie!« Flehend.
Silky drängte sie von ihr weg. Er betastete mit seinen kalten Schlangenfingern Elseviers warme Haut im Gesicht, an der Kehle ... Doch sie bewegte sich auch unter seiner Berührung nicht, sondern betrachtete etwas jenseits ihrer Wahrnehmung, bis die grauen Gliedmaßen über ihre Augen strichen und sie für immer schlossen. »Tot.«
Das LB tanzte auf den Wogen und brachte sie aus dem Gleichgewicht. Mond betrachtete ihre Beine, die nicht reagierten, sah Meerwasser um die Stiefel ihres Druckanzugs schwappen. »Tot?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, ist sie nicht. Sie ist nicht tot. Elsie. Elsie, wir treiben! Wach auf!« Sie schüttelte den schlaffen, leblosen Körper. Tentakel schlangen sich um sie und zogen sie ohne Umstände weg.
»Tot.« Silkys Augen waren klarer und tiefer als sie sie je gesehen hatte. Er drückte ein paar Knöpfe an den Kontrollen, wiederholte es. »Luke gesprungen. Sinken. Hinaus ...« Er schob sie auf die Schleuse zu. Sie taumelte, als neuerlich eine knietiefe Woge hereingeschwappt kam.
»Nein, Sie ist nicht tot! Das kann nicht sein!« kreischte sie wütend. »Wir dürfen sie jetzt nicht im Stich lassen!« Mond klammerte sich verzweifelt an die Lehne des Sitzes.
»Hinaus!« Silky packte sie und drängte sie auf die Schleuse zu. Sie stolperte und fiel, eine weitere Woge schwappte über sie hinweg, das Salzwasser brannte in ihren Augen. Sie taumelte zur Schleusentür, wo sie sich festklammerte und noch einmal umsah. Sie erblickte Silky, der im Wasser kniete, den Kopf vor Elsevier beugte und ihn einen Augenblick lang gegen ihre Schulter lehnte: Tribut und Abschied.
Dann rappelte er sich wieder auf und kam durch den Korridor auf Mond zu. »Hinaus!« Die Tentakel umklammerten wieder ihren Arm, Er zog sie in die Schleuse.
Unfähig, Widerstand zu leisten, ließ sie den Türrahmen los und folgte ihm hinaus. Sie sah das klaffende Außenschott, das wie ein hilflos Ertrinkender Wasser schluckte .. . »Mein Helm! Ich werde ertrinken . ..« Sie wollte ins Innere der Kabine zurückfliehen, doch das kalte Wasser, nun hüfthoch, umklammerte sie nun mit seinen Tentakeln und warf sie um. Eiswasser schwappte über ihr zusammen, sie ruderte wild, um wieder nach oben zu kommen, und keuchte, als Wasser sich in die Nackenöffnung ihres Anzuges ergoß. Das LB erbebte mit den Wogen des Meeres, die eingeströmten Wassermassen strebten wieder der Schleuse zu, und sie mit ihnen. Sie prallte gegen die Kante der offenen Schleuse und schlug sich den Kopf am Metall an, bevor das LB sie endgültig hinaus ins Meer spie.
Monds Schrei erlosch wie eine Kerzenflamme, als die Wellen über ihrem Kopf zusammenschlugen. Sie erkämpfte sich den Weg zur Oberfläche und brach zur Luft durch, wo prasselnder Regen sie augenblicklich wieder gegen die Wasseroberfläche hämmerte. Feuerheiße und eiskalte Finger berührten sie
Weitere Kostenlose Bücher