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Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin

Titel: Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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bot die einzige Möglichkeit eines Entkommens, doch der Schlaf beschleunigte nur noch das Grauen des neuen Morgens. Daher schritt sie rastlos und anonym durch die dichtgedrängte Menge, vorbei an den Läden – die Hälfte von ihnen war inzwischen leer, andere klammerten sich immer noch verzweifelt an das Leben und an Profite, bis zur bitteren Neige.
    Zur bitteren Neige ... Warum? Warum sich sorgen? Was soll das?
Sie zog die Kapuze ihres grob gewebten, gestreiften Kaftans tiefer ins Gesicht, dann bog sie in die Zitronenallee ein. In der Mitte zwischen hier und der Dämmerung war ein Gewürzlädchen, das sie gerne besuchte: duftende Kräuter und wohlriechende Gewürze, überladene Regale voller Haushaltswaren und Fetischen gegen alle denkbaren Krankheiten, alles von Zuhause importiert, von Neuhafen. Sie war sogar so weit gegangen, das zauberkräftigste Amulett zu kaufen und um den Hals zu tragen – sie, die höhnisch mit ihren Eltern daheim gezankt hatte, weil sie Zeit und Geld an abergläubischen Unsinn verschwendet hatten. Soweit hatte ihre Arbeit sie getrieben. Doch der verdammte Fetisch hatte ihr auch nicht mehr genützt als alles andere, was sie zu der Zeit versucht hatte. Nichts hatte etwas genützt, etwas zum Besseren gewendet, eine Wirkung gezeigt.
    Und nun war auch noch die einzige Person verschwunden, die sie unterstützt hatte und die sie davor bewahrt hatte, sich für einen absoluten Versager zu halten.
BZ ... Verdammt, BZ! Wie konntest du mir das nur antun? Wie konntest du nur ... sterben?
Und so war sie wieder einmal hierher gekommen, redete sich aber immer ein, daß sie eigentlich nicht wußte, warum .. .
    Doch während sie sich dem Laden näherte, erkannte sie plötzlich ein vertrautes Gesicht – einen altbekannten, flammend roten Haarschopf – Funke Dawntreader kam auf sie zu, er war wie ein Sexholo gekleidet. In den vergangenen Jahren hatte sie ihn nur selten gesehen, wenn sie einmal den Palast besuchte. Als sie ihn nun wieder erblickte, war sie überrascht, daß er keinen Tag älter aussah als an dem Tag, da sie ihn zum erstenmal gesehen hatte. Es hatte sie tief überrascht, daß Arienrhod ihn im Palast hielt (in jedem Sinn des Wortes, wie sie vermutete) – aber hatte sie ihm auch die Jugend erhalten?
    Während sie sich ihm näherte, wurde aus ihrem anfänglichen Interesse Eigennutz, schuldbewußt vorausahnend erkannte sie, daß er sie sehen würde, daß er sie sogar in diesem Aufzug erkennen und die verborgenen Motive in ihren ruhelosen Augen erahnen würde. Sie verlangsamte ihren Schritt und bemühte sich, ihr Ziel zu verleugnen, bis er vorüber war.
Götter, muß ich mich schon wie eine Kriminelle verstecken?
    »Hallo, Dawntreader.« Sie redete ihn trotzig zuerst an, erkannte dann aber an seinem überraschten Blick, daß er sie, hätte sie nichts gesagt, kein zweites Mal angesehen hätte.
    Doch sein nächster Gesichtsausdruck kam völlig unerwartet für sie, und sie hatte ihn auch nicht verdient – er zeigte ihr ein Lächeln, das seine makellose Jugend wie einen Spiegel emporhielt, um ihr zu zeigen, wie sehr sie selbst alterte, da jeder Tag wie ein Jahr verstrich. Seine Augen waren ein beunruhigendes Echo von denen der Königin: zu wissend und zu zynisch für das dazugehörige Gesicht. Sie glitten zu den ausgestellten Götterfigürchen und Fetischen im Schaufenster des Ladens, dann zu dem Amulett, das sie um den Hals hängen hatte. Er zupfte unbehaglich an den verschiedenen Lagen seines Kragens, sein ganzes Gebaren drückte Feindseligkeit aus. »Sparen Sie Ihr Geld, Kommandant PalaThion! Ihre Götter können Ihnen hier nicht helfen. Alle Götter der Hegemonie können nicht verhindern, was mit Ihnen geschieht – selbst wenn sie sich darum kümmern würden.« Ein Mundvoll Galle.
    Jerusha trat einen Schritt zurück, denn seine Worte schnappten wie Vipern nach ihr, deren Zähne das Gift ihrer unergründlichsten Ängste versprühten.
Will er es? Sogar er? Warum,
»Warum, Dawntreader? Warum du?« flüsterte sie.
    Sein Haß bröckelte. »Ich habe sie geliebt, aber sie ist verschwunden. « Er senkte den Blick, dann ging er weiter, ohne sich noch einmal umzusehen.
    Jerusha blieb lange Zeit stumm auf der Straße stehen, bis sie erkannte, daß er ihr eben den Grund genannt hatte. Dann betrat sie hastig den Eingang des Ladens, benommen wie eine Frau, die unter dem Einfluß eines Zauberspruchs stand.
    Sie blieb in dem dichtgedrängten Korridor vor einem überladenen Regal stehen, blind der bittersüßen

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