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Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin

Titel: Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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hoch und schlug ihm damit ins Gesicht. Gundhalinu stürzte in eine Schneeverwehung, Blut strömte über sein Gesicht, Schmerzen durchpulsten seinen Kopf wie ein Schrei. Er spie Blut und einen Zahn in den Schnee, dann saß er stöhnend auf seine eiskalte Hände gestützt, während die Nomaden vor ihm zurückwichen. Er hörte, wie die alte Frau Befehle erteilte, hörte ihr aber nicht zu, denn es interessierte ihn nicht. Ihn interessierte überhaupt nichts mehr.
    »Hier ... zieh deine Handschuhe an, du Dummkopf!« Das Mädchen stand über ihm und fuchtelte damit vor seinem Gesicht herum. Er wich zurück und versuchte, es zu ignorieren, als sie ihm eine Handvoll Schnee zwischen die aufgeplatzten Lippen schob.
    »Blauer!« Diesmal fuchtelte TierPardées Stunner vor seinem Gesicht. »Blaukehlchen, du hörst mir besser zu, wenn ich mit dir rede!« Sie schleuderte ihm die Handschuhe in den Schoß.
    Er zog sie mühsam über seine gefühllosen Finger, an denen gefrorenes Blut klebte. Der Gedanke, bewegungsunfähig geschossen, und dann wie ein Sack voller Ersatzteile zu einem Schlitten geschleift zu werden, ohne etwas dagegen tun zu können, war unerträglich. Er mußte sich so würdevoll wie möglich geben, bis sich eine Möglichkeit auftat, aus diesem Alptraum zu entkommen - so oder so.
    Etwas glitt über seinen Helm und wie eine Schlange über sein Gesicht, bevor es um seine Kehle geschlungen liegenblieb. Er sah verblüfft auf, da spannte sich das Seil auch schon um seinen Hals. Das Mädchen lachte über sein entsetztes Gesicht. Sie hatte das andere Seilende um ihre Hand geschlungen. Sie ließ es schwingen und stand arrogant und lasziv vor ihm. »Guter Junge. Ma sagt, sie braucht deine Hände, aber den Rest möchte ich für meinen Zoo haben.« Sie zog ihre Schneebrille herab, wodurch sie fast ihr ganzes, mageres Gesicht verbarg. »Mein blaues Spielzeug.« Sie lachte wieder und zog unvermittelt am Seil. »Komm schon, Blauer! Und beeil dich gefälligst!«
    Gundhalinu krabbelte hastig auf die Füße, und taumelte hinter ihr her zu den wartenden Schlitten. Er wußte, obwohl sie ihn nicht getötet hatten, war er doch ein toter Mann, denn in diesem Augenblick war seine Welt für ihn zusammengestürzt.
     

27
    Mond blickte an der Lehne von Elseviers dick gepolstertem Sessel vorbei und wand sich in ihrem eigenen, um durch das dick gepanzerte Fenster des LB hinaussehen zu können. Unter ihnen erstrahlte Tiamat wie ein aufgehender Mond, doch vor ihrem inneren Auge war der Anblick noch unendlich viel schöner. Daheim ... sie war wieder daheim, und es fiel schwer, daran zu glauben, daß die Zeit inzwischen auf dem Kopf gestanden hatte und daß sie alles so wie bei ihrer Abreise vorfinden würde, sogar so, wie es sein sollte, wenn das Rund aus wolkenbetupftem Blau unter ihr sich weiten und wieder mit einem endlosem Meer füllen würde. Doch selbst wenn es nicht mehr die Welt war, die sie verloren hatte, wußte sie, nun würde sie einen Weg finden ... sie würde einen Weg finden, doch noch alles zum Guten zu wenden.
    »Schirme grün?«
    »Ja.«
    Sie hörte Elseviers gemurmelte Befehle, Silkys einsilbige Antworten, den beruhigenden Rhythmus eines Rituals, das schon viele Male zuvor vollzogen worden war. Ihr Eintritt in die Atmosphäre Tiamats war weder gefährlicher noch schmerzhafter als das Verlassen. Es schien ihr inzwischen, als habe die Reise vom Planeten weg eine andere unternommen. Sie hörte nur mit halbem Verstand zu, die andere Hälfte wurde zwischen Vergangenheit und Zukunft hin und her gerissen, ohne näher auf ihre gefährliche Gegenwart einzugehen. Nun konnte nichts mehr schiefgehen, es
würde
auch nichts schiefgehen. Sie hatte die Schwarze Pforte passiert, sie würde es schaffen.
    Doch Elsevier hatte sich über Funk mit einem ungläubigen Ngenet in Verbindung gesetzt, bevor sie den Orbit verlassen hatten, nur um zu erfahren, daß er sie nicht in Shotover Bay erwarten konnte, weil er vor fünf Jahren kurz nach ihrer letzten Landung, seinen Sehweber verloren hatte. Diesmal mußten sie das größere Risiko eingehen, direkt auf seiner Plantage, südlich von Karbunkel, am Meer, zu landen, denn es gab niemanden, dem Elsevier ihre letzte Fracht anvertrauen wollte.
    Elsevier war ... zusammengefallen, das war das einzige Wort, das Mond einfiel, um die subtile Metamorphose zu beschreiben, deren Zeugin sie in jüngster Zeit geworden war, seit sie die Pforte passiert hatten. Sie hatte sich redliche Mühe gegeben, den Grund für ihr

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