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Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin

Titel: Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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»Ja.«
    »Geht schon alles klar. Laß dich bloß nicht von der großen Stadt unterkriegen, Bürschchen! Wirst's schon noch lernen. Was meinst du, Polly?«
    »Wie du meinst, Tor.«
    Funke beugte sich nach vorn, um an ihr vorbeizuspähen, und erkannte, daß sie nicht allein waren. Hinter ihr stand einer der metallenen Halbmenschen, dessen stumpfe Haut schwach das Licht reflektierte. Er hatte keine Ahnung, ob das Ding männlich oder weiblich war. Dann erkannte er, daß es ein drittes Bein gesenkt hatte, fast wie einen Schwanz, auf dem es nun aufrecht saß. Wo eigentlich das Gesicht hätte sein sollen, zeigte ihm ein Klarsichtfenster die in den Kopf eingelassenen Sensorplatten.
    Tor brachte eine kleine, flache Flasche aus einer Tasche ihres Overalls zum Vorschein und öffnete sie. »Hier. Das wird dir das Rückgrat stärken.«
    Er nahm die Flasche, trank einen kräftigen Schluck – und keuchte, als eine widerliche Süße in seinem Mund zu Flammen explodierte. Er schluckte konvulsivisch, Wasser trat ihm in die Augen.
    Tor lachte. »Bist ja ganz schön vertrauensselig!«
    Funke nahm demonstrativ einen weiteren Schluck, den er ohne Keuchen zu sich nehmen konnte, bevor er sagte: »Nicht schlecht.« Er reichte ihr die Flasche. Sie lachte erneut.
    »Ist ... ähem ... ist ...« Funke stieß sich von der Wand ab und betrachtete das metallene Wesen eingehender, wobei er verzweifelt nach einem Weg suchte, die Frage auszusprechen, ohne jemanden zu beleidigen.
    »Ist das ein Mensch in einem Blechanzug?« Tor grinste und strich eine graubraune Locke hinters Ohr. Er vermutete, daß sie nicht ganz halb so alt war wie er. »Nein, er glaubt lediglich, daß er das ist. Nicht wahr, Pollux?«
    »Wie du meinst, Tor.«
    »Ist er ... äh ...«
    »Am Leben? Nicht so, wie wir uns das vorstellen. Er ist ein Servo – ein Automat, ein Roboter, wie immer du das nennen willst. Eine servomechanische Einrichtung. Er agiert nicht, er reagiert nur.«
    Funke merkte, daß er es anstarrte, daher wandte er rasch den Blick ab und sah unsicher hin und her. »Stört es ihn denn nicht ...?«
    »Wenn wir über ihn reden? Nein, ihn stört überhaupt nichts, er steht über allem. Ein richtiger Heiliger. Nicht wahr, Polly?« »Wie du meinst, Tor.«
    Sie legte einen Arm um seine Schulter und tätschelte ihn vertraulich. »Ich warte ihn persönlich, und ich garantiere dafür, laß ihm
kein
Teil fehlt. Aber er hat irgendwo einen Kurzschluß, Dias begrenzt sein Vokabular. Ist dir vielleicht schon aufgefallen. «
    »Nun, ja ... etwas.« Funke trat von einem Fuß auf den anderen und fragte sich, ob es alles mitbekam.
    Tor lachte. »Wenigstens sagt er nicht dauernd sowas wie 'Verzieh dich‹. Sag mal, wo hast du das eigentlich her?« Sie griff Innerwartet nach dem Außenweltlermedaillon auf seiner Brust.
    »Das ist mein ... « Funke wich zurück, um aus ihrer Reichweite zu gelangen. »Ich ... äh ... hab' ich von einem Händler.«
    Tor sah ihn an, und plötzlich hatte er das unangenehme Gefühl, daß sein Schädel aus Glas bestand. Doch sie ließ ihre Hand wieder sinken. »Hör mal zu, Sommer! Warum bleibst du nicht hier bei mir und Polly, bis du dich an den Lauf der Dinge in Karbunkel gewöhnt hast? Zufällig ist meine Schicht gerade zu Ende, wir sind auf dem Weg nach unten, um ein bißchen was mitzukriegen. Wir wollen unseren Spaß haben und uns die Zeit vertreiben, vielleicht eine kleine Wette riskieren ... Du hast doch Geld bei dir?«
    Funke nickte.
    »Gut, das könnte deine Chance sein, es zu verdoppeln! Komm mit uns! Ich habe den Eindruck, das könnte außerordentlich lehrreich für ihn werden, Pollux.
    »Wie du meinst, Tor.«
    Funke folgte ihnen die Allee hinab und auf das Dämmerlicht zu, das hinter den Sturmwällen bereits verblaßte. Irgendwo unterwegs blieb Tor dann unerwartet vor einer unscheinbaren Warenhaustür stehen, klopfte erst zweimal, dann dreimal mit der Faust dagegen, dann glitt die Tür einen Spalt auf, schließlich noch weiter, um sie in eine höhlenähnlich finstere Vorhalle einzulassen. Funke wich zurück, schritt aber angesichts von Tors ungeduldiger Geste rasch wieder vor. Er hörte Murmeln in der Dunkelheit und erkannte, daß sie nicht allein waren.
    »Wieviel willst du wetten?« rief ihm Tor durch die Vielzahl der Geräusche in dem großen Raum zu. Sie hatte bereits einem verschrumpelten Männchen in einem viel zu großen Mantel eine Handvoll Münzen gegeben. Sie stand am Rande einer Menge von Zuschauern, die knieten, saßen oder standen

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