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Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin

Titel: Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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Hand. »Danke.« Er warf sich den Sack mit seinen Besitztümern über die Schulter und zitterte, als der kalte Wind vom Meer über ihn hinwegstrich.
    »Wir sind noch vier Tage hier, falls du es dir anders überlegen solltest!«
    Funke schüttelte den Kopf. Er wandte sich ab und begann loszumarschieren, dann zu klettern. Der Händler sah ihm nach, bis die Stadt ihn verschluckt hatte.
     
    »He, aus dem Weg da! Bist du blind?«
    Funke warf sich hastig in einen Stapel Kartons, als er das Haus auf Rädern sah, das auf der Rampe über ihn aufragte, dann tippelte er langsam wieder den Weg hinab, den er gekommen war. Hoch oben in dem winzigen Fenster konnte er das Gesicht sehen, das fast zu winzig war, um zu der warnenden Stimme zu gehören, und dessen Augen sich nicht einmal mehr umsahen, ob er sich auch wirklich entfernt hatte. Er stapfte benommen weiter und dachte:
Es ist wahr ... alles ist wahr!
Und plötzlich war er nicht mehr ganz so glücklich.
    Aus Angst davor, den Gedanken zu Ende zu denken, bewegte er sich rascher die Hauptstraße entlang, die sich allmählich spiralförmig nach oben wand. Aber nun hielt er sich müde und erschöpft am Rand. Die Straße schien endlos weiterzugehen, sie stieg sanft an, war sanft gewunden und führte vorbei an Warenhäusern und Läden mit glotzenden, erleuchteten Augen, neben Wohnhäusern und Wohnsäulen mit tausenderlei Geländern. Es gab keinen Himmel, nur die Unterseite der nächsten Spirale, die in einem düster phosphoreszierenden Licht glomm. Öffnungen von Alleen gingen in alle Richtungen ab wie die gespreizten Beine eines Tausendfüßlers – sie führten zum wahren Himmel der Welt, den er immer gekannt hatte, der aber nun fern und unerreichbar hinter gepanzerten Sturmschutzwällen lag.
    Er stapfte weiter, zwischen aufgetürmten Waren und hohen Müllbergen hindurch, betrachtete die leeren Gesichter der Warenhäuser und die leeren Gesichter der Leute, und bemühte sich ständig, sein eigenes Gesicht so ausdruckslos wie möglich zu halten. Es gab auch Fischervolk hier, dessen Kleidung seiner eigenen ähnlich war; aber dann gab es auch wieder Ladenbesitzer und Arbeiter in der ihnen eigentümlichen Berufskleidung, und daneben noch eine ganze Menge Leute, deren Kleidung ihrer Arbeit entsprach, einer Arbeit, von der er sich nicht einmal die leiseste Vorstellung machen konnte. Und überall sah er diese scheinbar geschlechtslosen, halbmenschlichen Lebewesen, die allein Aufgaben verrichteten, die keine zwei Menschen hätten bewerkstelligen können. Er hatte sich einem von ihnen behutsam genähert und gefragt: »Wie macht ihr das nur?« Aber das Ding hatte weiter seinen Laster beladen und ihm überhaupt keine Antwort gegeben.
    Ihm wurde langsam zumute, als ginge er schon seit endlosen Zeiten die Straße entlang, als wäre er lediglich im Kreis herumgeirrt. Jede Allee sah aus wie die andere, der Lärm und die Menge und der Gestank überforderten seine Sinne fast. Behelfsmäßige Hütten standen baufällig in den Spalten zwischen den Säulen der Stadt, zwischen Sand und Kopfsteinpflaster, und alle wurden lediglich von noch älteren Bauten gestützt, so alt und ewig wie das Meer selbst. Nichts geschah hier einfach, immer gleich zwei-, drei- oder gar dutzendfach, bis jeder Eindruck zu einer niederknüppelnden Sinneswahrnehmung wurde. Das zermalmende Gewicht der Stadt drückte auf die Decke über ihm und schien auf seinen müden Schultern zu lasten. Die Katakombe  der Wände schloß ihn ein und tanzte um ihn herum, bis .. .
Helft mir!
Er taumelte zurück gegen eine unnatürlich warme Hauswand und fiel in einen Packen Lumpen. Er bedeckte die Augen.
    »He, mein Freund, geht's dir nicht gut?« Eine Hand stupste ihn behutsam an.
    Er hob den Kopf und öffnete blinzelnd die Augen. Eine kräftige Frau in einem Arbeiteroverall stand vor ihm und schüttelte den Kopf. »Nein, meiner Ansicht nach nicht. Bist ein wenig grün im Gesicht. Bist du landkrank, Seemann?«
    Funke grinste armselig und spürte, wie das Grün seines Gesichtes zu Rot wurde. »Schätze schon.« Glücklicherweise zitterte seine Stimme nicht. »Schätze, das war's.«
    Die Frau beugte stirnrunzelnd den Kopf. »Bist du ein Sommer?«
    Funke sank wieder gegen die Wand. »Woher wissen Sie das?«
    Doch die Frau zuckte lediglich die Achseln. »Dein Akzent. Außerdem würde nur ein Sommer sich in schmierige Fischhäute kleiden. Frisch von der Fischfarm, was?«
    Er betrachtete seinen Mantel, der ihm plötzlich peinlich war.

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