Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin

Titel: Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
Vom Netzwerk:
hatte er verloren. Er kniff den Mund zusammen. Oder er konnte zugeben, daß er die wahre Lektion gelernt hatte: Karbunkel hatte ihm alle seine Illusionen genommen und ihn gelehrt, daß er nichts hatte und nichts war ... und daß er der einzige in der ganzen mutterverlassenen Stadt war, der sich darum kümmerte. Ob sich das jemals ändern würde, lag einzig und allein in seinen Händen ...
    In seinen leeren Händen ... Er bewegte sich hilflos und strich damit über den Beutel an seinem Gürtel, der das einzige enthielt, was Tor und Pollux ihm gelassen hatten: seine Flöte. Er holte sie zärtlich hervor und setzte sie besitzergreifend an die Lippen, dann begann er zu gehen und ließ die Melodien aus der Zeit, die er verloren hatte, seinen Schmerz über den Verlust lindern.
    Er wanderte ziellos durch die Straßen und wunderte sich über die dauernde Unruhe, die auch während der Nacht nicht nachließ. Nun, nachdem er sich nicht mehr um sie kümmerte, sahen ihn Fremde an. Er achtete nicht auf sie, bis etwas vor ihm auf dem Pflaster klimperte. Er blieb stehen und sah hinab. Eine Münze lag zu seinen Füßen. Er bückte sich, hob sie auf und schloß verwundert die Finger darum.
    »Wenn du im Labyrinth arbeiten würdest, könntest du noch mehr verdienen, weißt du. Die Zuhörer dort haben mehr wegzugehen - und sie wissen einen Künstler besser zu schätzen.«
    Funke sah verwundert auf und erblickte vor sich eine Frau mit dunklem Haar und einem Stirnband. Die Menge teilte sich und strömte an ihnen vorbei, er hatte das Gefühl, mit ihr auf einer Insel zu stehen. Die Frau mochte so alt wie seine Tante Lelark sein, vielleicht noch etwas älter, sie trug ein Kleid aus abgetragenem Samt und eine Halskette aus Federn. Sie hatte einen Stock, dessen Spitze wie eine Signallampe glomm. Die Spitze glitt an seinem Körper entlang bis zum Gesicht. Sie lächelte, sah ihn aber nicht an. Ihre Augen hatten etwas Totes, als fehlte etwas, als wäre ein Licht dahinter ausgeschaltet worden.
    »Wer bist du?« fragte sie.
    Blind!
»Funke ... Dawntreader«, antwortete er und war nun seltsam unsicher, wohin er blicken sollte. Er betrachtete ihren Stock.
    Sie schien zu warten.
    »Sommer. «
Er beendete den Namen fast trotzig.
    »Ah. Das dachte ich mir.« Sie nickte. »In Karbunkel kann man sonst nie etwas so Wildes und Natürliches hören. Höre auf meinen Rat, Funke Dawntreader Sommer! Geh stadtaufwärts!« Sie griff in den Beutel, der über ihre Schulter hing, und hielt ihm eine Handvoll Münzen hin. »Ich wünsche dir viel Glück in der Stadt.«
    »Danke.« Er griff zögernd nach den Münzen, die ihm ihre Hand hinhielt.
    Sie nickte und senkte den Stab wieder, ehe sie weiterging. Dann blieb sie nochmals stehen. »Besuch mal meinen Laden in der Zitronenallee. Frag nach der Maskenmacherin, jeder kann dir sagen, wo das ist.«
    Er nickte, erinnerte sich aber dann und sagte hastig: »Äh klar. Vielleicht.« Er sah ihr nach.
    Und dann ging er stadtaufwärts. Ins Labyrinth, wo die Häuserfronten mit leuchtenden Farben bemalt waren, mit Streifen und Schnörkeln und Rädern in den Farben des Regenbogens, wo die Farben und der Schnitt der zahllosen Kostüme sich niemals wiederholten, wo leuchtende Schilder und keifende Bettler Himmel und Hölle versprachen, und jede mögliche Abstufung dazwischen noch obendrein. Als er eine halbwegs ruhige Straßenecke unter wehenden Fahnen gefunden hatte, blieb er dort stehen und spielte stundenlang, begleitet vom Takt klimpernder Münzen der Passanten – es war nicht soviel, wie er erwartete, aber immerhin besser als das Nichts, mit dem er angefangen hatte.
    Schließlich lockte ihn das Aroma Hunderter verschiedener Gewürze, und er gönnte sich für einige der erworbenen Münzen das Vergnügen, seinen leeren Magen zu füllen. Hinterher vertauschte er seinen Fischmantel gegen ein rotes Hemd, Glasperlenketten und Kupferreifen. Der Ladeninhaber nahm ihm sein restliches Geld ab, doch als er durch die abendlichen Alleen zu seiner Ecke zurückging, sandte er ein stummes Dankgebet für das Geschenk der Musik zur Herrin, das diese ihm mit nach Karbunkel gegeben hatte. Mit seiner Musik konnte er überleben, wenn er die Gesetze dieses neuen Lebens lernte .. .
    Vier Außenweltler in Weltraumoveralls ohne Insignien, die hinter ihm in der Allee gegangen waren, umzingelten ihn plötzlich und drängten ihn in den dunklen Zwischenraum zwischen zwei Gebäuden.
    »Was wollt ihr ...?« Er drehte den Kopf, um seinen Mund vom Druck einer

Weitere Kostenlose Bücher