Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin
und den Blick auf eine kleine Arena gerichtet hatten, die sich in ihrer Mitte befand. Funke trat zu ihr und bemühte sich, durch den raucherfüllten Mief etwas zu erkennen, der schwer in der Luft hing. »Worauf wetten?«
»Auf den Blutward natürlich! Nur ein Narr würde auf ein Starl gegen einen Blutward setzen. Komm schon, wieviel willst du riskieren?« Ihre Augen versprühten dieselbe angespannte Elektrizität, die er wie eine Mauer überall rings umher spüren konnte.
»Dann sind 'ne Menge Leute Narren.« Der Mann im Mantel verzog den Mund und klimperte mit den Münzen in seiner Hand.
Tor machte eine ordinäre Bemerkung. Hinter ihr schwoll das Murmeln der Menge an und ab, das Echo verhallte in den Ritzen und Spalten, der ganze Raum wartete. Funke sah zwei Wesen – eines menschlich, eines nicht – in den Freiraum treten. Beide hatten längliche Kisten bei sich. Die Haut des Außerirdischen hatte einen öligen Schimmer, seine Arme mündeten in langen Tentakeln. »Werden sie etwa ...?«
»Sie? Ihr Götter, nein! Das sind nur die Halter. Komm schon, komm schon, du mußt deine Wette plazieren!« Tor zupfte ihn ungeduldig am Ärmel.
Er suchte in dem Sack mit seinen Habseligkeiten, und brachte zwei Münzen zum Vorschein. »So, hier sind ... äh, zwanzig.« »Zwanzig! Mehr hast du nicht?« Tor schaute ungläubig drein. »Mehr setze ich nicht.« Er streckte die Hand aus.
Das Hutzelmännlein nahm das Geld kommentarlos entgegen und verschwand in der Menge.
»He, das ist doch nicht illegal oder sowas, oder?« Funke zögerte.
»Klar ist es das ... Mach uns den Weg frei, Pollux! Wir wollen einen Platz in der ersten Reihe für unseren großen Spender hier. «
»Wie du meinst, Tor.« Pollux stapfte zielstrebig drauflos. Funke hörte Flüche und hin und wieder Schmerzensschreie, die sein Vordringen durch die Menge markierten.
»Aber sei unbesorgt, Sommer, nicht der Todessport ist illegal. « Tor zog ihn mit sich, und schon fand Funke sich auf halbem Weg zum Ring. »Nur die Einfuhr von unregistriertem Viechzeug.«
»Oh. Entschuldigung . ..« Er war auf eine knorrige Hand getreten. Die Hälfte der Menge schien sich aus Arbeitern und Seeleuten zusammenzusetzen, wiederum andere waren juwelenbehangen, und einige hatten eine erdfarbene Haut und Haar wie Wolken. Er fragte sich, ob die sich absichtlich so herausgeputzt hatten. Direkt vor dem Ring hieß Tor ihn sich setzen. Er überkreuzte die Beine. Neben ihm ragte Pollux auf seinem Standbein auf, was vergebliche Rufe wie »Runter da vorne!« zur Folge hatte. Tor nahm wieder ihre Flasche heraus und trank, wonach sie sie Funke gab. »Mach sie leer!«
Das unbeständige Aroma das Rauches hatte sich bereits wie ein Kokon um seinen Kopf gelegt und trennte ihn so von den anderen und sich selbst. Er hob die Flasche an den Mund und trank in großen Zügen. Es war noch verdammt viel drinnen. Seine Kehle schmerzte, und er mußte husten.
Tor tätschelte sein Knie. »Das bringt einen in Stimmung, was?«
Er grinste. »Für alles?« krächzte er heiser.
Sie nahm ihre Hand wieder weg. »Später, später.«
Funke wandte sich rülpsend der Arena zu. Die Bewegung machte ihn benommen wie eine unerwartete Woge auf dem Meer. Die verhaltene Energie des Wettfiebers sang mittlerweile auch in ihm, und das Keuchen der Menge war auch sein eigenes, als die beiden Halter die Kisten öffneten und rasch zurückwichen.
Wenn der tentakelfingrige Außerirdische schon eine Augenweide gewesen war (obwohl ihn plötzlich gar nichts mehr überraschte), er war doch nicht mehr als eine leise Vorahnung gewesen. Nun kam eine Masse langer, peitschender Tentakel aus der Kiste hervorgekrochen, die gleitend und schlitternd und rutschend einen schlappen Körpersack hinter sich herzogen, der von Blutergüssen übersät schien. »Der Blutward«, flüsterte Tor. Er hatte, soweit Funke das erkennen konnte, keinen Kopf, es sei denn, Kopf und Körper waren in einem, dafür aber scharfe Scheren an einigen der Tentakelenden. In der eingetretenen Stille konnte er sie klicken hören. Doch eine plötzliche Bewegung am anderen Ende der Arena lenkte seinen Blick ab.
»Der Starl«, murmelte Tor, als ein geschmeidiger schwarzer Schatten erschien, eine bedrohliche Kreatur von mehr als Armeslänge, mit gesprenkelter Haut. Er konnte einen flüchtigen Blick auf messerscharfe Zähne erhaschen, als der Starl laut brüllend die Kehle aufriß. Die Scheinwerfer erhellten nun ausschließlich das Zentrum, auf das aller Augen gerichtet
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