Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin
vorschlagen, daß sie dich auch töten sollen? Schließlich hat ja auch deine Unfähigkeit zu dieser Situation geführt, oder etwa nicht?«
Oyarzabals Hand glitt zu seiner Waffe unter der langen Lederweste. Aber die Chancen standen fünf zu eins gegen ihn – und Oyarzabal war kein Selbstmordkandidat. »Nein, Meister, nein! Aber ... aber sie wird meine Frau werden. Ich werde schon dafür sorgen, daß sie nicht redet.«
»Glaubst du denn, daß Persiponë dich immer noch heiraten will, nachdem sie weiß, woran du beteiligt bist?« Die Stimme wurde kälter. »Amoralisches Tier, das sie ist, wird sie dich deswegen hassen. Du wirst ihr nie mehr vertrauen können.«
Oh, Götter, oh, Quelle, laß mich doch reden! Ich werde ihm alles versprechen.
Schweiß rann kribbelnd an ihren Rippen herunter.
»Und ich werde dir nie mehr vertrauen können, Oyarzabal, wenn du mir nicht beweist, daß ich deiner Loyalität immer noch sicher sein kann.« Die Stimme verstummte, sie schien zu lächeln. Tor erschauerte innerlich. »Aber ich kann auch Verständnis für deine Situation aufbringen, daher lasse ich dir zwei Möglichkeiten: Entweder Persiponë stirbt, oder sie lebt. Aber wenn sie lebt, dann hast du dafür zu sorgen, daß sie niemals gegen uns aussagen kann.«
Oyarzabals plötzliche Hoffnung verschwand hinter Wolken. »Was soll das heißen?« Er sah sie an, wandte aber rasch wieder den Blick ab.
»Ich meine, sie soll nie in der Lage sein, jemandem etwas auszuplaudern, ganz egal, wie man sie auch behandelt. Ich glaube, eine Injektion von Xetydiel würde genügen.«
»Verdammt! Ich soll einen Zombie aus ihr machen?« Oyarzabal fluchte. »Hinterher wird sie keinen Verstand mehr haben!«
Einer der anderen lachte. »Was ist daran so schlimm? Ohne Verstand zu sein? Wozu braucht eine Frau überhaupt ein Gehirn?«
Oh, Herrin, hilf mir ... hilf mir, hilf mir!
Tor rief den Glauben ihrer Vorfahren an, der von den tausend gleichgültigen Göttern der verräterischen Außenweltler fast verdrängt worden war.
Lieber würde ich sterben! Lieber sterben!
»Du siehst doch, was für einen Ärger Frauen verursachen, wenn sie sich zu viele Freiheiten herausnehmen, Oyarzabal – schau doch nur den Ärger an, den dir die dumme Neugier dieser Frau verursacht hat. Und denk an das Elend, das die Königin über ihre Welt bringen wird.« Die Stimme der Quelle klang rauh wie eine Metallfeile. »Triff deine Entscheidung: tot oder hirnlos! Und entscheide dich für dich; wenn du dich für sie entscheiden kannst.«
Oyarzabal ballte die Hände zu Fäusten und öffnete sie wieder, während er den Raum und die fünf Gesichter betrachtete und das Offensichtliche sah. »Na gut! Aber ich will nicht, daß sie stirbt, ich will nicht mit ansehen müssen, wie sie stirbt. Ich möchte sie lebend.«
Tor wimmerte wieder, ein Speichelfaden rann aus ihrem Mundwinkel. Von ihren Zehen aus durchlief ein Zittern ihre Beine –
Lauf, lauf! –
aber es ging nicht.
»Dann kann ich mich ja um die Belange der Dame kümmern.« Der Sprecher der Gruppe von Technikern – ein Mann, in dem sie endlich C'sunh erkannte, einen Biochemiker und Experten für Drogen – stand auf und ging zu einem verschlossenen Schränkchen außerhalb ihres Gesichtsfeldes. Sie hörte, wie er Fläschchen und Utensilien sortierte, hörte, wie die zischende Wolke in ihrem Kopf alle anderen Geräusche auslöschte.
Oyarzabal trat mit gesenktem Kopf von einem Bein aufs andere, als hätte er nicht erwartet, daß die Dinge sich so rasch entwickeln würden. Tor ermordete ihn mit den Augen.
»Soll ich fortfahren und injizieren, Meister?« Der Biochemiker trat mit einer Spritze in der Hand wieder in den Kreis ihrer Wahrnehmungen.
»Ja, kümmere dich darum, C'sunh!« sagte die Stimme leise. »Wie du siehst, Persiponë, kannst du niemals gewinnen. Am Ende läuft doch immer alles auf dasselbe hinaus.«
Tor betrachtete C'sunh, der auf sie zukam. Alles in ihrem Gesichtsfeld nahm eine goldene Farbe an. Die Statik in ihrem Kopf betäubte sie fast. Auch Oyarzabal sah ihm zu, blickte zu ihr, er hatte die Hände an die Seiten gepreßt, und seine Augen waren glasig.
Ein heftiges Poltern war vor der verschlossenen Tür zu hören. Der Chemiker erstarrte in der Bewegung, als eine gedämpfte Stimme von draußen brüllte: »Aufmachen! Polizei!« Die Männer am Tisch sprangen auf und starrten einander ungläubig an.
»Blaue!«
»Meister, die Blauen sind im Kasino! Was sollen wir tun?«
Doch er bekam keine Antwort. Ein
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