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Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin

Titel: Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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ihn bis zum Opfer hier festhalten.
    Arienrhod würde ihn nicht gehen lassen. Wenn ihre Träume ruiniert waren, dann mußten seine es auch werden. Wenn sie sterben sollte, dann mußte auch er sterben. Sie hatte ihn so unentrinnbar wie das Meer an sich geklammert. Sie war die Inkarnation des Meeres, und Starbuck war ihr Verbündeter, sie würden mit der neuen Flut wiedergeboren werden – aber als neue Leiber, mit frischen, unberührten Seelen – Sommerseelen. So war es seit Anbeginn der Zeiten gewesen, und obwohl die Außenweltler es nach ihren eigenen Zwecken geformt hatten, würde es auch immer so bleiben. Wer konnte die Veränderung selbst verändern? Mond hatte versucht, ihn zu retten, doch sein Schicksal war stärker als sie beide gewesen. Er versuchte, sich nicht vorzustellen, was sich zwischen Arienrhod und Mond abgespielt haben mochte, nachdem er sie verlassen hatte – als Mond endlich die Wahrheit über sich selbst herausgefunden haben mußte. Selbst wenn Mond Arienrhod irgendwie entkommen war, nun hatte sie keine Möglichkeit mehr, zu ihm zurückzukehren. Er konnte nur dankbar dafür sein, daß ihm ein letztes Stündlein mit ihr gewährt worden war, die Henkersmahlzeit – und die letzte Ironie eines verpfuschten Lebens.
    Er wühlte in einer vergoldeten Truhe, schließlich fand er das Bündel der Kleider, die er bei seinem ersten Besuch im Palast angehabt hatte, und holte sie heraus. Er breitete sie sorgfältig auf dem weichen Velours des Teppichs aus und entdeckte dazwischen die Perlenkette, die er sich an seinem ersten Tag in der Stadt gekauft hatte – und seine Flöte. Er legte die Flöte beiseite, legte seine Kleidungsstücke ab und streifte die weiten, schweren Hosen und das Regenbogenhemd über, das zu den Perlen paßte, als würde er sich für ein Ritual ankleiden. Er nahm das Medaillon seines Vaters vom Ankleidetischchen, als er damit fertig war, und legte es um seinen Nacken. Dann griff er behutsam nach der Flöte und setzte sich auf die nachgiebige, weiche Couch.
    Funke setzte die Flöte an die Lippen, senkte sie dann aber wieder, denn plötzlich war sein Mund zu trocken für eine Melodie. Er schluckte und spürte sanft den Puls hinter seinen Schläfen pochen. Er hob die zerbrechliche, hohle Muschel wieder. Er legte die Finger über die Öffnungen und blies in das Mundstück. Ein trällernder Ton erklang im Raum, wie ein verblüffter Geist, der sich plötzlich von einem Schweigen befreit sieht, das er für ewig gehalten hatte. Der Atem ballte sich in seiner Kehle zusammen, er schluckte wieder. Melodie um Melodie kam ihm in den Sinn und versuchte, ins Freie zu entkommen. Er begann zögernd und mit unsicheren, ungeübten Fingern zu spielen, und mancher falsche Ton mischte sich unter die Melodie und beleidigte seine Ohren. Doch nach und nach wurden seine Finger wieder lockerer, und das Lied ergoß sich wieder wie Wasser, sprudelnd und sanft, aus den Tiefen seines Wesens und trug ihn in eine Welt zurück, die er verloren hatte. Arienrhod hatte versucht, auch sein letztes Zusammensein mit Mond herabzuwürdigen, um ihm selbst das zu nehmen, wie sie ihm auch die Freude an jeder Schönheit und jedem Vergnügen genommen hatte, das nicht ihres war, aber sie war gescheitert. Monds Hingabe und Glaube waren so rein wie das Lied, und die Erinnerung an sie verbannte jegliche Scham, heilte alle Wunden, korrigierte alle Fehler ...
    Er blickte auf, und das Lied und der Bann brachen plötzlich, als er sah, wie unerwartet der Riegel der schweren Tür zurückgeschoben wurde und diese sich öffnete. Zwei Gestalten in Mänteln und mit maskenähnlichen Kapuzen traten ein. Eine bewegte sich langsam und grotesk. Die Tür schloß sich wieder hinter ihnen. »Funke Dawntreader Sommer ... «
    Funke blinzelte und langte zum Schalter, um die gedämpfte Lampe heller zu stellen. »Was wollt ihr? Es ist noch nicht an der Zeit ...«
    »Es ist Zeit – nach mehr als zwanzig Jahren.« Der andere Mann, der sich mühelos bewegen konnte, trat nach vorne ins Licht und schlug die Kapuze zurück.
    »Was?« Funke sah das Gesicht eines Mannes in mittleren Jahren, ein Außenweltler. Zuerst hielt er ihn für einen Kharemoughi, doch die Haut war heller, der Körper kräftiger und das Gesicht runder. Das Gesicht ... etwas daran kam ihm bekannt vor .. .
    »Nach mehr als zwanzig Jahren ist es an der Zeit, daß wir uns treffen, Funke. Ich wünschte nur, der Rahmen für diese Begegnung wäre etwas erfreulicher.«
    »Wer sind Sie?« Funke erhob sich

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