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Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin

Titel: Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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beobachtete ihre Reaktionen, die sich wie Wellen auf einer ruhigen Wasseroberfläche ausbreiteten, und versuchte, abzuschätzen, ob sie echt waren – ob die Delegierten etwas wußten, oder die Beamten, oder ob sie die einzige hier im Raum war, die der Wahrheit blind gegenüber gestanden hatte ... Aber wenn einer von ihnen seine Verblüffung heuchelte, dann war er damit wirklich gut. Protestierendes Murmeln wurde um den Tisch herum laut.
    »Wollen Sie uns erzählen«, sagte Hovanesse, »daß jemand behauptet, wir hätten eine intelligente Lebensform abgeschlachtet?«
    Sie nickte, ihr Blick war gesenkt, während sie leicht verunsichert weitersprach. »Natürlich nicht wissentlich.« Sie hatte die Leichen am Strand vor Augen.
Aber getötet ist getötet.
»Ich bin sicher, keiner der hier Versammelten, kein Mitglied der Delegation der Hegemonie, möchte wirklich, daß das weitergeht.« Sie sah zum ältesten Träger des Abzeichens, einem Mann in den Sechzigern, der gerade alt genug sein konnte. »Aber jemand wußte es einst, denn wir wissen von dem Wasser des Lebens.« Wenn er es wußte, so konnte man es seinem Gesicht nicht ansehen. Plötzlich fragte sie sich, warum sie das wollte.
    »Sie wollen also damit sagen«, meinte einer der anwesenden Kharemoughi, »daß unsere Vorfahren die Wahrheit wissentlich verschleierten?« Sie hörte die besonders grimmige Betonung des Wortes
Vorfahren
und erkannte, daß sie einen Fehler gemacht hatte. Die Vorfahren eines Kharemoughis zu kritisieren war schlimmer, als einen Angehörigen ihres eigenen Volkes des Inzests zu bezichtigen.
    Doch sie nickte störrisch und unnachgiebig. »Ja, irgend jemand muß das getan haben, Sir.«
    Hovanesse trank einen Schluck aus seiner Tasse und sagte: »Dies sind ausgesprochen häßliche und bei einem solchen Anlaß unpassende Gedanken, Kommandant PalaThion. «
    Sie nickte. »Ich weiß, Euer Ehren. Aber ich kann mir keine bessere Zuhörerschaft denken. Denn wenn das stimmt ...«
    »Wer brachte diese Anschuldigung vor? Was für Beweise hat er?«
    »Ein Außenweltler namens Ngenet. Er hat eine genehmigte Plantage hier auf Tiamat.«
    »Ngenet?« Der Direktor für Kommunikation legte fragend die Hand ans Ohr. »Dieser Renegat? Er würde alles behaupten, um die Hegemonie in einem schlechten Licht erscheinen zu lassen. Jeder in der Regierung weiß das. Er bedarf nur einer einzigen Aufmerksamkeit von Ihnen, Kommandant, und das ist eine Gefängniszelle.«
    Jerusha lächelte flüchtig. »Auch das hatte ich einst in Betracht gezogen. Doch er behauptet, daß er diese Informationen von einer Sibylle erhielt; es wäre sehr einfach, sie zu widerlegen, indem man eine andere Sibylle befragt.«
    »Ich werde die Ehre meiner Vorfahren nicht durch so einen infamen Akt in den Schmutz ziehen lassen!« murmelte einer der Delegierten.
    »Es scheint mir«, sagte Jerusha und beugte sich wieder nach vorn, »daß die Zukunft des Volkes dieser Welt, ob humanoid oder nicht, wesentlich bedeutsamer ist als die Reputation seit Jahrhunderten zu Staub zerfallener Kharemoughis. Wenn falsch gehandelt wurde, dann sollten wir das zugeben und es korrigieren. Wenn wir hier Massenmord dulden, dann sind wir so verabscheuenswürdig wie die Schneekönigin selbst. Schlimmer noch, wir sind vom Blut unschuldiger Geschöpfe besudelt, durch Sklaven und Lakaien, die nur ausführen, was wir ihnen befehlen, während wir sie für unsere Schuld bestrafen, indem wir sie auf einer niedrigen zivilisatorischen Entwicklungsstufe festhalten!« Verblüfft von den Worten, die sie aus ihrem eigenen Mund hörte, erinnerte sie sich plötzlich, wer sie ihr hineingelegt hatte.
    Grabesstille begegnete ihr von allen Seiten und preßte sie wieder in ihren Sessel. Sie saß still und hörte nur ihren Atem, während ihr guter Wille sie verließ und den Raum noch kälter erscheinen ließ. »Tut mir leid, meine Herren, ich fürchte, ich habe mich gehen lassen. Ich weiß, es ist eine sehr massive Anschuldigung, und daher hatte ich auch selbst so große Probleme, wie ich ihr begegnen sollte, ob ich Meldung machen sollte ...«
    »Keine Meldung«, sagte Hovanesse.
    Sie sah ihn fragend an, dann nahm sie von dem verletzten Zorn der Kharemoughis und dem zurückhaltenden Zorn der Neuhafener Kenntnis.
Du verdammter Narr! Wie kommst du zu der Meinung, daß sie der Wahrheit lieber ins Antlitz schauen als du?
»Die Delegation wird sich dieser Frage annehmen, wenn wir Tiamat verlassen haben. Wenn wir zu einer Entscheidung gekommen sind, wird

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