Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin
von der Couch.
»Ich bin dein erster Vorfahr.«
Funke hörte die Worte, verstand den Sinn aber nicht und schüttelte den Kopf.
»Dein Vater, Funke.«
Etwas an dem
dein
klang unrichtig, als könnte der Fremde nicht alles ausdrücken, was er wirklich empfand.
Funke setzte sich wieder hin, er war benommen, alles Blut wich aus seinem Kopf.
Der Fremde – sein Vater – löste den Mantel, streifte ihn ab und warf ihn achselzuckend in einen Sessel, darunter trug er einen einfachen, grauen Sprunganzug und den Schmuckkragen und das Abzeichen eines Delegierten der Hegemonie. Er machte eine angedeutete Verbeugung, die bei aller Grazie linkisch wirkte, als wäre er unsicher, wie er beginnen sollte. »Erster Sekretär Temmon Ashwini Sirus.« Der zweite Mann – ein Diener? – wandte sich um, schlurfte davon und zog sich kommentarlos in den nächsten Raum zurück, um sie allein zu lassen.
Funke lachte, um ein anderes Geräusch zu übertönen. »Was ist das, eine Art Witz? Hat Arienrhod das arrangiert?« Er verbarg sein Außenweltlermedaillon mit der Hand und schloß die Finger darum, bis die Knöchel weiß hervortraten ... er erinnerte sich, wie sie ihn geneckt und gefoltert hatte, wie sie ihm gesagt hatte, sie wüßte, wem es gehörte, wer sein Vater sei ... wie sie ihn belogen hatte.
»Nein. Ich erklärte den Sommern, daß ich gekommen sei, um meinen Sohn zu besuchen, und sie führten mich zu dir.«
Funke zog das Medaillon über den Kopf. Er warf es Sirus vor die Füße, seine Stimme klang barsch vor Unglauben. »Dann muß das Ihnen gehören, Held – aber verdammt sicher nicht Starbuck. Es muß verdammt viel Rückgrat erfordern, hierher zu kommen und mir das Messer ins Fleisch zu bohren ... hier ist die Belohnung. Nehmen Sie sie und gehen Sie wieder!« Er schloß die Augen und bemühte sich, nicht auf Ähnlichkeiten zu achten. Er hörte, wie Sirus sich bückte und das Medaillon aufhob.
»Unserem noblen Sohn Temmon ...« Die wohlklingende Stimme wurde weich. »Wie geht es deiner Mutter? Ich gab ihr dies in der Nacht der Masken ... dein Erkennungszeichen.«
»Sie ist tot, Fremder.« Er öffnete die Augen, um Sirus' Gesicht zu betrachten. »Ich habe sie getötet.« Er wartete, bis der Schock gewirkt hatte. »Sie starb am Tag meiner Geburt.«
Der Schock wurde zu Kummer, zu Unglauben. »Sie starb im Kindbett?« Als würde es ihn tatsächlich bekümmern, was geschehen war.
Funke nickte. »In Sommer haben sie nicht so viele moderne Hilfsmittel. Und nach der Veränderung werden sie sie hier auch nicht mehr haben.« Er strich mit der Hand über den groben Stoff seiner Hose. »Aber das wird keine Rolle mehr für mich spielen. Und für Sie nicht.«
»Sohn. Sohn ...« Sirus wendete das Medaillon mehrmals zwischen seinen Fingern. »Was soll ich zu dir sagen? Mein Vater ist der Premierminister, dein Großvater. Als er zu mir zurückkam, war alles so einfach. Sein Blut in meinen Adern machte mich von königlichem Geblüt – es machte mich zu einem Führer, gab mir das Recht zum Regieren, nichts als Erfolg und Glück. Als er wieder nach Samathe kam, überreichte er mir persönlich dieses Medaillon und machte mich zu einem Mitglied seiner Delegation.« Er ließ das Medaillon zwischen seinen Fingern hindurchgleiten, wirbelte es herum. Es kreiste wie ein feuriges Rad an seiner Kette. »Ich gab es deiner Mutter, denn sie erinnerte mich so sehr an das Volk meiner Mutter, ihre Augen, die so blau waren wie ein Waldsee, ihr Haar wie das Sonnenlicht . . . Sie trug mich eine Nacht lang zu meiner Heimatwelt zurück, denn ich war einsam und meine Heimat so weit entfernt.« Er blickte auf und bot ihm das Medaillon mit ausgestreckter Hand an. »Dies gehörte ihr, dir, und es wird immer dir gehören.«
Funke spürte seine Knochen schmelzen und seinen Körper zu Rauch zerstäuben. »Sie Bastard ... warum sind Sie jetzt hergekommen? Wo waren Sie vor Jahren als ich Sie gebraucht habe? Ich wartete so sehr auf Ihre ... deine Rückkehr. Ich versuchte alles, um so zu sein wie du, damit du mich auch anerkennen solltest, wenn ich dich wiedersah.« Er breitete die Arme nach all den technischen Wundern aus, die er so hingebungsvoll und so vergeblich studiert hatte. »Aber nun, wo alles vorbei ist und ich mein Leben ruiniert habe ... jetzt bist du gekommen, um mich so zu sehen!«
»Funke, dein Leben ist nicht ruiniert. Dein Leben ist noch nicht vorbei. Ich bin gekommen um ... um Abbitte zu leisten.« Er zögerte, Funke wandte sich langsam zu ihm um.
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