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Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin

Titel: Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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die Inkarnation des Meeres. Wie die Flut sich wandelt und die Welt Jahreszeiten hat, so muß ich führend folgen. Die Zeit des Winters ist vorüber, der Schnee schmilzt vom Angesicht des Meeres, sanfte Regen werden ihm folgen.« Ihre Stimme hallte hohl durch die Unterwelt. Das Ritual wurde von verborgenen Kameras aufgezeichnet und überall in der Stadt übertragen, wo man eigens hierfür spezielle Bildschirme installiert hatte.
    »Dem Winter folgt der Sommer wie die Nacht dem Tage. Das Meer verbrüdert sich mit dem Land. Zusammen werden die Hälften ein Ganzes, wer kann sie trennen? Wer kann sie verleugnen, ihren Ort und ihre Zeit, wenn die Zeit gekommen ist? Sie werden von einer größeren Macht als der hier versammelten geboren. Ihre Wahrheit ist universell!« Die Sommerkönigin hob die Arme zur Menge.
    Arienrhod horchte auf. Den letzten Satz hatte sie nie gesagt, nie gehört. Die Menge murmelte, leichtes Unbehagen schien sich breitzumachen.
    »Wer begleitet dich, verändert zu werden?«
    »Mein Geliebter«, mit gleichgültiger Stimme, »dessen Körper wie das Land ist, das sich dem Meer verbindet. Zusammen unter dem Himmel, können wir niemals getrennt werden«. Die Kälte brannte in ihren Augen. Herne sagte nichts, tat nichts. Er wartete mit stoischer Gelassenheit.
    »So sei es denn.« Nun brach die Stimme der Frau tatsächlich. Sie breitete die Arme aus, zwei der wartenden Sommer gaben in jede ein Glas mit einer dunklen Flüssigkeit. Die Sommerkönigin gab Herne ein Glas, das er willig entgegennahm. Das andere bot sie Arienrhod. »Wollt ihr zum Wohle der Herrin trinken?«
    Arienrhod spürte, wie ihr Mund die Antwort verweigern wollte, sagte aber schließlich: »Ja.« Das Glas enthielt eine starke Droge, die ihre Furcht betäuben würde und sie das kommende vergessen ließ. Neben ihr hob Herne die Maske und führte das Glas mit verzerrtem Gesicht an die Lippen. Arienrhod hob das ihre. Sie hatte immer vorgehabt, es zurückzuweisen, da sie die Vorstellung abstieß, den Augenblick zu betäuben, wo ihr Triumph offensichtlich wurde. Aber nun wollte sie das Vergessen. »Auf die Herrin!« Sie roch das starke Aroma der Kräuter, ihre betäubende Galle brannte in ihrem Mund. Sie schluckte, und die Flüssigkeit betäubte ihre Kehle. Ein zweiter Schluck, doch schon der dritte war geschmacklos wie Wasser.
    Als sie damit fertig war, sah sie Sommer mit Stricken näherkommen, mit denen sie sie unentrinnbar an das Fahrzeug und sich selbst binden würden. Furcht lastete auf ihrer Brust, das Entsetzen verdunkelte ihren Blick.
Betäubt mich, um der Götter willen!
Sie versuchte zu fühlen, wie die Betäubung sich ausbreitete. Herne leistete fast Widerstand, als die Sommer Hand an ihn legten, sie sah seine Muskeln arbeiten und härter werden. Seine Schwäche gab ihr Stärke. Sie saß vollkommen still und würdevoll da, während die Sommer ihre Arme und Beine festbanden, um die Seile dann mit dem Gefährt zu verbinden. Obwohl das Fahrzeug wie ein Boot geformt war, wußte sie doch, daß unter den Pelzen der Sitze große Löcher klafften und es fast augenblicklich sinken würde. Sie konnte nicht verhindern, daß ihre Hände sich gegen ihre Fesseln wehrten oder ihr Körper vor Herne zurückweichen wollte. Sein maskiertes Gesicht wandte sich ihr zu, doch sie weigerte sich, ihn anzusehen.
    Nun stand die Sommerkönigin wieder vor ihnen, doch sie hatte sich dem Wasser zugewandt, während sie die letzten Worte sprach. Auch nachdem sie geendet hatte, verharrte die Menge schweigend, aber dieses Mal war es ein erwartungsvolles Schweigen. Jetzt würde sie jeden Augenblick das Zeichen geben. Arienrhod spürte eine traumähnliche Lethargie in ihren Gliedern, ihrem Rückgrat, aber ihr Verstand war immer noch zu klar.
Soll es denn so sein?
Aber wenigstens ihr Körper wurde nun zu schwer, sie noch zu verraten, und gewährte ihr so in den Tod hinein ihre Würde, ob sie es nun wollte oder nicht.
    Doch anstatt beiseite zu treten, wandte die Sommerkönigin sich ihr wieder zu. »Eure Majestät.« Die Dringlichkeit der gedämpften Stimme entging ihr nicht.« »Möchtet Ihr ... das Gesicht der Sommerkönigin sehen, bevor Ihr sterbt?«
    Arienrhod starrte sie ungläubig an, was auch Herne neben ihr tat. Die Tradition verlangte es, daß die Sommerkönigin die Maske erst abnahm, wenn die alte Königin ertrunken war, um ihre Sünden mit abzustreifen. Aber diese Frau war bereits einmal vom Pfad des Rituals abgewichen.
Ist sie so dumm?
Oder gab es einen anderen

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