Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin
aber ich wüßte nicht, was dich das angeht. Wenn du mich jetzt bitte ...«
»Das ist gut. Wirklich, das ist ausgezeichnet. Würden Sie mich statt dessen dorthin bringen?«
Er strich durch sein schwarzes, störrisches Haar, wodurch eine Furche in seinem Schopf entstand. Er war bartlos, nur ein schwarzer Schnurrbart hing über seine Oberlippe. »Und warum, im Namen von tausend Göttern, sollte ich das tun?«
»Nun ... « Sie hätte über seine mangelnde Freundlichkeit fast empört die Stirn gerunzelt. »Ich werde Ihnen gerne jeden Wunsch erfüllen, um es zu vergelten.« Sie zögerte, da sein Gesichtsausdruck noch abweisender wurde. »Ich ... habe, glaube ich, einen Fehler gemacht, nicht wahr?«
Nun lachte er unerwarteterweise. »Schon in Ordnung, kleine Lady.« Er verstaute den Werkzeugkasten hinter einem der Sitze. »Aber du solltest nicht so sehr darauf versessen sein, mit dem erstbesten Fremden durchzubrennen, den du siehst. Du könntest dadurch in eine schlechtere Situation als deine derzeitige hineingeraten.«
»Oh ...« Selbst in der kalten Luft konnte Mond spüren, wie ihre Wangen brannten. »Oh, nein, so meine ich das nicht!« Sie hob eine Hand, um damit ihr Gesicht zu bedecken. »Hier auf den Inseln ist es so, wenn man irgendwohin will, und es bietet sich eine Mitfahrgelegenheit, dann ergreift man die üblicherweise beim Schopf . ..« Ihre Stimme versagte. »Tut mir leid.« Sie wich zurück und stolperte prompt über eine Wurzel, und plötzlich kam sie sich ganz genau wie das närrische Kind vor, das er in ihr zu sehen schien.
»Halt, einen Augenblick mal!« Der Sand des Zorns raspelte immer noch in seiner Stimme, wenn auch nicht mehr ganz so stark. »Warum möchtest du denn dorthin?«
Sie wandte sich wieder um, sorgsam darauf bedacht, sich an das unter ihrer Kleidung verborgene Kleeblatt zu erinnern, das sie an die Würde einer Sibylle gemahnte. »Ich möchte in Shotover Bay ein Schiff finden, das mich nach Karbunkel bringt. Es ist sehr wichtig für mich.«
»Muß wohl, denn was sonst sollte einen Sommer dazu bringen, freiwillig mit einem Außenweltler in eine Flugmaschine zu steigen?«
Mond kniff die Lippen zusammen. »Wenn wir die Technik der Außenweltler nicht benützen, heißt das noch lange nicht, daß wir vor Schreck erbleichen, wenn wir ihrer ansichtig werden.«
Diesmal lachte er beifällig, als gefiele es ihm, es mit gleicher Münze heimgezahlt zu bekommen. »Na gut, kleine Lady, wenn du den Flug so sehr wünschst, sollst du ihn bekommen.«
»Mond.« Sie streckte ihm die Hand hin. »Mond Dawntreader Sommer.«
»Ngenet ran Ahase Miroe.« Er nahm ihre Hand und schüttelte sie, ohne ihr Handgelenk zu umklammern, wie sie es gewohnt war. Dann fügte er, als eine Art Nachsatz, noch hinzu: »Der letzte Name zuerst. Steig ein und schnall dich an!«
Sie kletterte entschlossen in das Flugboot, ohne sich weiter Gedanken um die Zukunft zu machen, und fummelte an den Sicherheitsgurten herum. Das Innere dieses Flugzeugs unterschied sich sehr von dem, das sie in ihrer Trance gesehen hatte. In ihren Augen war es einfacher. Sie klammerte sich fest an die Gurte und deren falsche Vertrautheit. Ngenet ran Ahase Miroe kletterte hinter die Kontrollen und schloß die Türen. Das Heulen begann wieder, doch diesmal klang es gedämpfter, kaum lauter als das Rauschen von Blut in den Ohren.
Als sie von dem Feld abhoben, spürte sie die Bewegung überhaupt nicht, doch als Neith und ihr Dorf unter ihnen wegkippten, verspürte sie einen stechenden Schmerz, als hätte man etwas in ihr entzweigerissen. Sie preßte die Hände gegen die Brust, spürte die beruhigende Gegenwart des Amuletts, und stimmte ein unhörbares Dankgebet an.
Dann beschrieb das Flugzeug eine scharfe Kurve und schwebte hinaus übers offene Meer.
10
Jerusha PalaThion schaute hinaus über das endlose, spiegelnde Blau, das von einzelnen Inselhügeln durchsetzt war. Sie stellte sich vor, wie es unter dem Patrouillenfahrzeug dahinglitt wie Wasser unter der Erde, sah sich selbst in einer endlosen Zeitschleife gefangen, befreit von der leidigen Pflicht ihrer Arbeit ... Sie blinzelte, um ihren Blick wieder zu klären, dann sah sie hinüber zu Gundhalinu, der lesend hinter den Kontrollen saß, die vom Autopiloten überwacht wurden. »Wie lange noch, bis wir in Shotover Bay sind, BZ?«
Er blickte auf, betrachtete dann das Chronometer der Konsole. »Das dauert noch einige Stunden, Inspektor.«
Seufzend streckte sie die Beine in eine andere
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