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Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin

Titel: Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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werde ich auch eine Blaue werden.«
    Jerusha lächelte ohne Ironie oder Überheblichkeit. »Ja, das wirst du wahrscheinlich.«

    Sie sahen beide auf, als die graugekleidete Marika eintrat. Sie winkte ihre Tochter an ihre Seite. Andradi folgte widerwillig. »Es ist alles bereit, Jerusha.« Ihre Stimme klang so ausgemergelt und grau wie sie aussah. »Sie können uns jetzt zum Raumhafen bringen.«
    Jerusha nickte. »Ja, Madame LiouxSked.« Sie folgte ihnen dankbar aus dem verlassenen Zimmer.
    Jerusha überließ das Schwebefahrzeug einem Untergebenen, dem sie kaum Beachtung schenkte, dann ging sie auf die schweren Türen zu, die die Garagen vom Polizeihauptquartier abgrenzten. Diese gesamte Allee bestand aus Büros, Gefängnissen und Gerichtsgebäuden, ein Hort der Moral im amoralischen Getümmel des Labyrinths. Offiziell war es die Olivenallee, aber jeder, die Bewohner eingeschlossen, kannte sie als die ›Blaue Allee‹.
    Sie vergaß fast, die Sekunde zu warten, die die riesigen Türen brauchten, um sich vor ihr zu öffnen. In Gedanken war sie immer noch mit der Reise beschäftigt, die sie gerade unternommen hatte, den Gründen dafür, der ganzen, unglaublichen und häßlichen Verkettung von Ereignissen, die dazu geführt hatte, daß jeder ...
    »Entschuldigung, Streifenwache, Entschuldigung, Streifenwache, Entschuldigung, Streifenwache.«
    Jemand zupfte sie am Ärmel, als sie in den überfüllten Korridor einbiegen wollte. Sie sah ungehalten in eine Plastikmaske, die ein Elektronengehirn verbarg – ein Polrob, der ihr mit gedankenloser Dringlichkeit den Weg versperrte. »Inspektor«, sagte sie mit derselben mechanischen Monotonie. Jemand stieß sie von hinten.
    »Entschuldigung, Inspektor. Ich muß meinen Bericht abliefern und zur Arbeit zurückkehren. Bitte autorisieren Sie mich.« Ein Anflug von Verzweiflung schwang in der Maschinenstimme mit. »Ein Mann von Nummer Vier gibt verleumderische Redensarten über die Hegemonie von sich. Er befindet sich in der Stardock Bar, wo er außerdem den Einheimischen erzählt, daß Sibyllen Zugang zu verbotenem Wissen haben. Er scheint unter Drogeneinfluß zu stehen.«
    »Gut. Autorisierung 77 A. Nach Meldung, dann kümmern wir uns um ihn.«
Drogen. Nicht an Drogen denken.
Sie ging weiter, bemühte sich dabei aber, nicht dorthin zu blicken, wo bis vor kurzem noch LiouxSkeds Privatbüro gewesen war.
    »Entschuldigung, Inspektor!« Diesmal von einem gutmütigen Streifenpolizisten, der mit seinen Holos einen Bogen um sie machte.
    »Meine Schuld, ich habe nicht aufgepaßt.« Der Papierkrieg, der ihren Rückzug von Tiamat einleitete, hatte bereits begonnen. Kaufleute und andere ansässige Außerirdische begannen bereits, sich um die Zukunft Sorgen zu machen, sie überfielen die Büros mit an die hundert verschiedenen Formularen und Bewilligungen und Anträgen, die sie vor dem endgültigen Rückzug noch ausfüllen und zurücksenden mußten. Aber wenn ihr die Hektik jetzt bereits zu groß wurde, wie sollte das dann erst in vier Jahren werden? Beschäftigung ...
Ja, beschäftigt sein, immer beschäftigt sein, um nicht daran denken
zu
müssen .. .
    Aber nichts beschäftigte ihren Verstand lange genug, um das pochende Entsetzen und den Schmerz wirksam verdrängen zu können. Sie hatte nicht gelogen, als sie Andradi erzählt hatte, daß ihr Vater nicht von sich aus zum geifernden Idioten geworden war. Das ergab keinen Sinn – sie hatte den Mann gekannt, und er war gewiß nicht der Typ gewesen, der mit gefährlichen Drogen spielt. Verdammt, er hatte ja nicht einmal eine Packung Iestas angerührt! Aber es gab ein halbes Hundert Dealer in Karbunkel, die eine Überdosis in eine Tasse Tee oder einen Teller Suppe schütten konnten.
    Und es gab nur eine Person, die Interesse an so etwas haben konnte – Arienrhod. Jerusha hatte ihren Gesichtsausdruck nach der Entführung des Mädchens Mond gesehen, die Wut, die Verzweiflung. Und plötzlich hatte sie gewußt, warum Mond sie mit dem Gesicht einer anderen Frau angesehen hatte, dem Gesicht der Königin des Winters. Und es gab nur eine Erklärung dafür, daß eine Fremde der Königin vollkommen aus dem Gesicht geschnitten sein konnte – wenn sie ein Klon der Königin war. Arienrhod schien Pläne mit dem Mädchen gehabt zu haben, Pläne, die etwas mit der bevorstehenden Veränderung zu tun haben mußten, wenn die Außenweltler sich zurückzogen und diese Welt wieder dem Sommervolk überließen. Die Aufzeichnungen zeigten, daß bisher jede

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