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Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin

Titel: Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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etwas. Was sie durch ihre Maske hindurch von seinem Gesicht erkennen konnte, war grün und blau.
    Sie öffnete die Gesichtsmaske und schlug sie zurück und ließ ihn mit abgewandtem Blick ihr Gesicht sehen. Sie beugte den Kopf, die Glöckchen ihres Halsbandes sangen in der Stille.
    »Elsevier. Du erkennst mich nicht, nicht wahr?« Die Worte waren undeutlich ausgesprochen, doch die leise Enttäuschung entging ihr nicht. Er nahm den Hut ab.
    Doch sie hatte seine Stimme erkannt, obwohl sie undeutlich klang, und setzte sich mit einem leisen Ausruf des Erstaunens neben ihn auf die Bank. »Sie! Oh ... heiliger Calavre!« Sie merkte kaum, daß sie fluchte. Sie hob die Hände, brachte es dann aber doch nicht über sich, sein Gesicht zu berühren. Seine warme, braune Haut war von Schürf- und Schnittwunden, sowie von Blutergüssen und blauen Flecken übersät, die feine Linie seines Kiefers war immer noch geschwollen und dick.
    »Sachte dei m Va'er, ich hä'n U'fall gehab'.« Er lächelte mit Lippen und Augen, dann deutete er mit dem Finger. »Kiefer geb'och'n«, sagte er erklärend.
    Ihr Gesicht brannte vor Sympathie, sie rang die Hände in ihrem Schoß.
    »Schon recht. Tut kaum noch weh.« Die Inquisitoren hatten ihn nicht den Blauen übergeben, statt dessen hatten sie ihn als heilige Rache einen Tag und eine Nacht lang windelweich geprügelt, um ihn schließlich, bei Einbruch der Dämmerung, auf die Straße zu werfen, von wo er so schnell er konnte verschwunden war. »Will nich' mehr dran denk'n ...« Er lachte kurz, doch es sollten viele Jahre vergehen, bevor er ihr auch nur einen Bruchteil der Wahrheit enthüllte. Danach verstummte er und sah sie an, als erwartete er etwas von ihr. »Ist dein Kie'er auch unbe'eglich, Schwes'er?«
    »Nein!« Sie schüttelte den Kopf. Es klimperte. »Ich ... ich habe über Sie nachgedacht. Immer und immer wieder. Ich dachte schon, ich würde Sie nie wiedersehen. Ich hatte solche Angst um Sie.« Sie verspürte den plötzlichen Drang, sein zerschlagenes Gesicht an ihre Brust zu drücken. »Warum sind Sie hergekommen?« Sie rieb den Stoff ihrer Larve zwischen den Fingern.
Nicht als Freier.
Aber sie bedeckte ihr Gesicht nicht wieder. In seiner Gegenwart verspürte sie dazu keine Notwendigkeit.
    »Ich mußte sichergeh'n, daß es dir gut geht. Geht es dir gut?« Er beugte sich vor.
    »Ja. Mein Vater kam ... Sie waren so freundlich zu mir. Mein Vater würde .. .«
    »Nein. Bi'e erzähl ihm nichts von mir. Sag mir nur, daß du meinen Vo'stellungen zugehört 'ast. Sag mir, daß ich eine Saat in deinen Geist einge'flanzt habe ... Sag mir, daß du mehr hören willst.«
    »Warum?« Von allen Fragen und Antworten, die ihr auf der Zunge lagen, brachte sie nur diejenige heraus, die ihm am wenigsten sagen würde.
    »Warum?« Aber in seinen Augen sah sie, daß er verstand. »Nun, weil ich dich wiedersehen möch'e.«
    »Oh! Ich könnte den Himmel mit den Fingerspitzen berühren!« Sie kicherte albern, legte aber eine Hand über den Mund, als sie sein Gesicht sah. Die Frau, die die Liebe dieses Mannes gewinnen wollte, mußte zuerst seinen Respekt gewinnen. »Ja.« Sie begegnete seinem Blick ruhig und gelassen, doch unter ihrer Wange zuckte ein Muskel. »Ich möchte mehr wissen. Bitte kommen Sie wieder.«
    Er grinste schief. »Wann?«
    »Mein Vater ... «
    »Wann?«
    »Morgen.« Sie senkte den Blick.
    »Ich werde kommen.« Er nickte zuversichtlich.
    »W-wie viele Frauen haben Sie?« Sie haßte sich selbst wegen dieser Frage!
    »Wie viele ...?« Er betrachtete sie indigniert. »Keine. Auf Kha'emough hat man immer nur eine gleich'ei'ig. Eine kann das ganze Leben genügen ... wenn es die rich'ige is. « Er griff in eine Tasche seiner Jacke und holte ein paar Pamphlete heraus. »Ich hab' dir das mi'gebrach', weil ich augenblicklich nich' für mich selbs' sprechen kann. Aber ich 'abe das hier und das hier geschrieb'n. Wirs' du sie les'n?«
    Sie nickte und spürte fast so etwas wie einen Schock durch ihren Arm kribbeln, als sie sie nahm.
    »Ihr habt einen wunderschönen Gar'en hier.« Eine Art Sehnsucht schwang in seiner Stimme mit. »Kümmers' du dich selbs' um die Blumen?«
    »Oh, nein.« Sie schüttelte ein wenig traurig den Kopf. »Man erlaubt mir nur zu seltenen Gelegenheiten, hierher zu kommen. Ich darf niemals etwas tun, bei dem ich schmutzig werden könnte. Aber ich mag Blumen. Ich würde die ganze Zeit hier verbringen, wenn ich könnte.«
    Ein Blick sturer Entschlossenheit glitt über sein Gesicht. Er

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