Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt
beunruhigt drein. Ausnahmsweise trug er den Quoll nicht mit sich herum. Gundhalinu entdeckte ihn in einer Kiste unter dem Tisch, wo er friedlich schlummerte. Kopfschüttelnd dachte er daran, welches Aufsehen dieses Paar auf Kharemough erregt haben mußte. Dann blickte er wieder Kullervo an.
Kullervo schwenkte herum, wie wenn er spürte, daß man ihn beobachtete. Gundhalinu senkte den Blick und ging zur Tür, gefolgt von Kullervo und Ananke. Zusammen schritten sie durch das stille Labyrinth aus Forschungskabinen und Laboratorien, durchquerten die verschiedenen, grünbeleuchteten Sicherheitszonen und tauchten an die Oberfläche, wie Schwimmer, die im Wasser nach oben steigen. Endlich standen sie draußen, in der gleißenden Helligkeit und schwülwarmen Hitze. Es herrschte ein unbeschreiblicher Lärm, und die Luft war geschwängert mit den Düften verrottender Vegetation.
Wie abgesprochen wartete Kedalion Niburu, Kullervos zweiter Assistent, vor dem Compound auf sie. Er saß, bequem abgeschirmt von der Umgebung, hinter den Kontrollen des Triphibian Rover, den Kullervo erstanden hatte, als er erfahren hatte, daß dieses Land/ Luft/Wasserfahrzeug für Exkursionen nach World's End geeignet war. Mittlerweile hatte Niburu gelernt, das Fahrzeug zu steuern. Kullervo beharrte darauf, daß Niburu jedes Vehikel lenken konnte und daß er der einzige Pilot sei, dem er sich anvertrauen würde. Dagegen hatte Gundhalinu nichts einzuwenden. Er selbst konnte keinen Rover steuern, und immerhin vertraute Kullervo diesem Mann auch sein Leben an. Es war viel wert, wenn sie einen Piloten hatten, den er zumindest flüchtig kannte, und keinen Fremden, der ihnen vom Sicherheitsdienst zugeteilt worden wäre. Nachdem Gundhalinu sich von seiner ersten Überraschung erholt hatte, einem Mann zu begegnen, der so viel kleiner war als er, hatte er den Eindruck gewonnen, daß Niburu tüchtig, zuverlässig, und wesentlich ausgeglichener war als Kullervo. Und auf Nervenstärke kam es an, wenn sie nach World's End reisten.
Aufatmend kletterte Gundhalinu in den Rover; in dieser feuchten, drückenden Hitze fiel einem jeder Schritt schwer. Hinter ihm stiegen Kullervo und Ananke ein, und die Tür schloß sich mit einem Zischen; nun saßen sie in einem klimatisierten, abgedichteten Raum. Gundhalinu wischte sich den Schweiß vom Gesicht. Die Uniform, die er meistens tragen mußte, war für den Dienst in Büros mit Klimaanlage konzipiert worden, und nicht für körperliche Anstrengung in mörderischer Hitze geeignet. Er nahm sich vor, in dieser Hinsicht mit den Bürokraten der Hegemonie ein Hühnchen zu rupfen, sobald er wieder nach Kharemough heimkehrte. Er beobachtete Kullervo, der sich auf dem Platz des Copiloten neben Niburu niedergelassen hatte. Kullervos Gesicht war gerötet; Gundhalinu hatte noch nie gesehen, daß er etwas anderes trug als langärmelige Hemden oder Kasacks, obwohl ihm niemand vorschrieb, wie er sich zu kleiden hatte. Ein bißchen wunderte sich Gundhalinu, warum er keinen Sunblocker benutzte, wenn er sich vor der Einstrahlung schützen wollte.
Geschickt hob Niburu den Rover vom Boden ab, fort vom hektischen Verkehrsgewühl, obschon ihr Weg nicht weit war. Aber Niburu schien das Temperament seines Chefs gut zu kennen; Gundhalinu fand, das sei die erste Voraussetzung, wenn jemand mit einem so launischen Mann wie Kullervo zusammenarbeiten wollte.
Er blickte nach unten auf den Flickenteppich aus alten und neuen Gebäuden. Das Muster erinnerte ihn an ein dreidimensionales Datenmodell, und es zeigte deutlich den unkontrollierten Wildwuchs der Stadt, die an ein verwirrtes Lebewesen erinnerte, an ein deformiertes Virus ... an das Stardrive-Plasma selbst.
Er zwang sich dazu, nicht mehr an diesen Vergleich zu denken; statt dessen konzentrierte er sich auf die explosionsartig gewachsene Betonwüste der Stadt, für deren gewaltige Ausdehnung hauptsächlich er verantwortlich war. Als er das erste Mal hier ankam, um nach seinen verschollenen Brüdern zu suchen, war die Ortschaft nur ein winziges Nest gewesen. Von hier aus starteten die genehmigten Expeditionen nach World's End, deren Teilnehmer Prospektoren und Abenteurer waren, denen es nichts ausmachte, ihr Leben in der Wildnis zu riskieren. Damals gehörte der Ort dem multinationalen Konzern Universal Processing Consolidated, der die Schürfrechte für die Mineralvorkommen an World's End besaß; das Kaff glich eher einem surrealen bürokratischen Alptraum als einem wirklichen geographischen
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