Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt
helfen.« Er faßte das Kleeblatt an, das er offen über dem Rock trug. »Diesen Leuten hier ist ein funktionierender Stardrive völlig schnuppe, mir hingegen bedeutet er alles. Und was bedeutet er Ihnen?«
Kullervo stierte ihn an, und Gundhalinu sah, wie der wilde Blick langsam aus seinen Augen verschwand. Er sagte nichts mehr, sondern schüttelte nur mit einer jähen Geste Gundhalinus Hand ab.
Gundhalinu wandte sich wieder Agentin Ahron und den drei Soldaten zu. Den abkommandierten Piloten kannte er von einer früheren Exkursion – ein Korporal namens Ngong, ein fähiger Mann, aber – wie jeder vernünftig denkende Mensch – nicht besonders erpicht darauf, an den Feuersee zu reisen. »Agentin Ahron«, sagte er, »darf ich Ihnen einen Vorschlag machen? – Wir nehmen unseren eigenen zugelassenen Piloten mit, der gleichzeitig einer von Dr. Kullervos Assistenten ist, und dazu die beiden Soldaten. Auf diese Weise wird unser Team ein bißchen kleiner, was die Gefahr, die vom Feuersee ausgeht, reduziert, und trotzdem brauchen wir nicht auf Schutz zu verzichten. Korporal Ngong wird sicher nicht enttäuscht sein, wenn er sich anderen Pflichten widmen darf. Habe ich recht, Korporal?«
Ngong schielte nervös zu dem Sergeant hinüber, der neben ihm stand. »Gewiß, Sir.«
»Immerhin bin ich Polizeikommandant.«
Agentin Ahron betrachtete ihn eine Weile mißtrauisch, als versuche Sie zu ergründen, welche Intrige er möglicherweise gegen sie im Schilde führte. »Das entspricht nicht der Vorschrift ...«
»Ich weiß natürlich, Agentin Ahron, daß es Ihnen nur um unsere Sicherheit und um den Erfolg des Projekts geht, an dem wir alle so lange gearbeitet haben ...« Er holte tief Luft. »Von allen Mitstreitern, die ich hatte, haben Sie mir am meisten geholfen mit ihrem Fleiß und Engagement, zwei Eigenschaften, die ich hoch einschätze.«
Bei den Göttern,
dachte er,
wenn das nicht zu dick aufgetragen ist.
Er haßte es, sich verstellen zu müssen. »World's End ist eine heimtückische Gegend. Ich weiß, daß gerade Sie es nicht unnötig riskieren würden, unsere Leben und den Erfolg des Stardrive-Projekts zu gefährden ...«
»Also gut ...«, stieß sie abrupt hervor. »Sie dürfen Ihren eigenen Piloten mitnehmen, Kommandant Gundhalinu. Aber nur, weil Sie es sind.« Sie starrte Kullervo an. »Bei keinem anderen hätte ich eine Ausnahme gemacht. Sergeant Hundet und Soldat Saroon werden Sie allerdings begleiten.«
»Vielen Dank.« Gundhalinu fiel ein Stein vom Herzen. Er wagte es, Kullervo anzusehen. »Ich hoffe, Sie können das akzeptieren, Doktor ...« Aus schmalen Augenschlitzen musterte Kullervo die beiden Männer. Der Sergeant war ein kleiner, drahtiger Typ mit einem schmalen, bösen Gesicht und gemeinen Augen. Gundhalinu fand ihn auf Anhieb unsympathisch. Der einfache Soldat war fast noch ein Knabe, aller Wahrscheinlichkeit nach ein Wehrpflichtiger, und er machte ein Gesicht, als freue er sich auf den Ausflug nach World's End wie auf seine eigene Kastration. Gundhalinu seufzte.
Kullervo blickte auf Niburu hinunter. »Mit dieser Auflage kann ich mich abfinden«, murmelte er. Niburu wirkte eher bedrückt als erleichtert; Ananke schaute von einem zum anderen, als sprächen sie eine Sprache, die er nicht verstand. »Danke, Gundhalinu-eshkrad«, sagte Kullervo unvermittelt und lächelte sogar.
In Gundhalinus Magengrube fing etwas an zu flattern. Nicht zum erstenmal löste Kullervos Unberechenbarkeit eine Art Warnsignal bei ihm aus. Er war lange Zeit Polizeibeamter gewesen und achtete instinktiv auf die Körpersprache anderer Menschen. Kullervos Verhalten gab ihm Stoff zum Nachdenken. Seine Sprunghaftigkeit, die Manieren und die Sprechweise, die er an den Tag legte, wenn er sich vergaß, paßten eher zu einem hitzköpfigen Straßenrowdy als zu einem seriösen Wissenschaftler. Aber er war ohne Zweifel ein brillanter Forscher.
Gundhalinu nickte und blickte zur Seite. Er vergegenwärtigte sich, daß er unter Kharemoughi-Forschern großgeworden war; im Hause seines Vaters verkehrten Wissenschaftler und Intellektuelle, die in der sozialen Hierarchie Spitzenpositionen bekleideten und sich dementsprechend kultiviert benahmen.
Kullervo war kein Kharemoughi. Vielleicht schwieg er sich über seine Herkunft aus, weil er sich ihrer schämte. Das wäre nicht ungewöhnlich für einen Mann, der in einer niederen Kaste geboren war und sich durch überdurchschnittliche geistige Leistungen in eine elitäre Klasse hochgearbeitet
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