Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt
breiter Riß in der Außenhülle klaffte.
Kullervo drängte sich dicht an ihn heran, wie wenn er es nicht abwarten konnte, das Licht zu sehen. Er gab einen Laut von sich, der wie ein Lachen klang. »Gundhalinu ...«
Gundhalinu sah sich um, als Reedes Hand seinen Arm wie mit einem Schraubstock umschloß. Kullervos andere Hand, in der etwas Metallisches blitzte, hob sich langsam; Gundhalinu erstarrte vor Schreck.
Plötzlich fing Kullervo krampfhaft an zu zucken. Er ließ Gundhalinu los und faßte an seinen Helm. Von einer Schulter, in die ein scharfkantiges Metallstück eine Wunde gerissen hatte, stieg ein feiner, blutiger Nebel auf. Das Siegel seines Helms schien sich gelockert zu haben. Kullervos Gesicht war vor Angst und Entsetzen verzerrt, Blasen quollen aus dem Helm, als das Wasser durch das defekte Siegel eindrang und die Luft herausdrückte.
Zappelnd versuchte Kullervo, sich an Gundhalinu vorbeizudrängen, stieß ihn weg, während er darum kämpfte, das Entweichen des Luftstroms einzudämmen. Durch sein panikartiges Ringen löste sich der Helm, eine der unberechenbaren Strömungen, die im Wrack zirkulierten, erfaßte ihn und trug ihn hinunter in den Bauch des Schiffs. Reede schwamm wie ein Wahnsinniger hinterher, dem sicheren Tod entgegen.
Gundhalinu umfaßte seine Taille und schleppte ihn zurück zum Licht, wo sich die rettende Öffnung nach draußen befand. Kullervo wehrte sich heftig, aber das Wasser hemmte seine Bewegungen. Gundhalinu drehte ihn auf den Rücken, schlang den Arm um sein Kinn und zerrte Kullervo, der wie ein Fisch am Haken zappelte, durch den Riß im Schiffsrumpf ins freie Wasser.
Gundhalinu schwamm nach oben, wo das Wasser heller wurde, und er spürte, wie Reedes Kräfte nachließen. Er fühlte sich, als sei er schon eine Ewigkeit lang durch das grüne Licht gedriftet, das seinen Kopf ausfüllte wie Musik, wie eine Halluzination, wie ein Traum. Seine Lunge schmerzte; er merkte, daß er den Atem angehalten und seine Herzschläge gezählt hatte. Tief sog er den Sauerstoff ein, halb fürchtend, das Atemgerät könnte versagen. Irgendwo da droben, in dem immer heller werdenden Lichttunnel, gab es frische Luft ...
Sein Kopf tauchte an die Oberfläche, und rings um ihn her türmten sich die Wände des Canyons, rot wie das Blut, das hinter seinen Augen pulsierte. Kullervos schlaffen Körper im Schlepp, schwamm er ans Ufer. Er zerrte Reede auf den Strand, fiel auf die Knie und riß sich den Helm vom Kopf.
Reede schöpfte zitternd Atem, schlug die Augen auf und glotzte ihn ungläubig an. Gundhalinu hockte sich hin, während Kullervo versuchte, sich umzudrehen, dabei hustete und Wasser auf die warmen, roten Steine erbrach. Dann sank er wieder ermattet zurück und stierte mit leeren Augen in den Himmel.
»Reede ...« Vorsichtig berührte Gundhalinu seine Schulter.
Kullervo sah ihn an, öffnete den Mund, aber kein Wort kam heraus. Er stemmte sich auf die Ellbogen und schaute prüfend seinen Körper entlang bis zu den Füßen, die immer noch im Wasser lagen. »Er hat versucht, mich zu ertränken, dieser Bastard!« ächzte er.
»Wer?« fragte Gundhalinu verdutzt.
»Ich bringe ihn um!« Kullervo ballte die Fäuste und versuchte sich aufrecht hinzusetzen.
Wieder legte ihm Gundhalinu die Hand auf die Schulter und drückte ihn auf den Strand zurück. »Immer mit der Ruhe – Sie haben Ihren Helm verloren, als Sie sich an einem Wrackteil verletzten. Er zeigte Kullervo die Wunde an der Schulter, aus der immer noch Blut sickerte.
Kullervo rieb sich die Augen. »Sie haben mir das Leben gerettet«, murmelte er.
»Vergessen Sie es.«
»Sagen Sie das nicht!« herrschte Kullervo ihn wütend an. »Mein Leben ist nichts wert, und es ist mir völlig egal, ob ich morgen sterbe – aber nicht auf diese Weise. In meinen Alpträumen sieht mein Tod so aus ...« Seine Miene verfinsterte sich. »Ich schulde Ihnen Dank.«
»Das war doch selbstverständlich, Sie hätten dasselbe für mich getan«, entgegnete Gundhalinu.
Kullervo sah ihn eine Zeitlang an, wie erstarrt, bis er schließlich den Blick abwandte. Unsicher stand er auf; sich mit einer Hand am Fels abstützend, stolperte er den Strand entlang zu dem Pfad, der nach oben führte, wobei er sich weder umschaute noch auf Hilfe wartete.
Gundhalinu erhob sich ebenfalls und ging Reede hinterher, während die Stimme des Sees in ihm in ein wahnsinniges Gelächter ausbrach.
NUMMER VIER
World's End
W as glauben Sie?« fragte Gundhalinu ziemlich
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