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Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt

Titel: Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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können. Er spürte, wie sie trotz seiner Umarmung zitterte, und er wußte, daß er sie weder vor der Erinnerung noch vor Arienrhods Vermächtnis würde beschützen können.
    Endlich riß sich Mond von dem Bild los und ließ sich von Funke aus dem Zimmer führen. Als sie draußen in der leeren Halle standen, flüsterte er so leise, daß nicht mal ein Echo erwachen konnte: »Möchtest du jetzt wieder zu Bett gehen?«
    Sie schüttelte den Kopf; unter ihren Augen lagen bläuliche Schatten. »Wo ist das Zimmer, in dem wir ...« Sie schaute auf ihren Bauch. »Ich möchte es sehen.«
    »Mond, das ist doch ...« Er brach ab. »Also gut«, sagte er ruppig, »ich zeige es dir, aber demnächst mußt du allein dorthin gehen.«
    Sie nickte stumm. Widerstrebend, als bewege er sich gegen den Strom der Zeit, führte er sie durch die Saalfluchten, bis sie vor der versiegelten Tür standen. Seit Arienrhods Tod hatte niemand den Raum betreten, er war sich nicht einmal sicher, wer außer ihm den Verschluß der Tür öffnen konnte.
    Unter seiner Berührung glitt die Tür zurück, und eine gleißende Helle blendete sie. Die Wände und die Decke des Zimmers waren mit Spiegeln verkleidet, die ihr Bild aus allen Richtungen zurückwarfen und sämtliche ihrer Bewegungen vervielfachten. Ihm drehte sich der Kopf, und benommen blieb er stehen. Er hatte vergessen, daß ihm beim Betreten dieses Zimmers immer schwindlig wurde.
    Das Bett, das einzige Möbelstück, stand mitten im Raum. Die Laken waren zerwühlt, alles war noch so wie in der letzten Nacht, als er hier mit Mond geschlafen hatte ... Es war die Nacht, in der die Winterleute ihr großes Fest feierten, ehe der Wechsel vollzogen wurde. Mond war in den Palast gekommen, um ihn aus seiner dumpfen, totenähnlichen Existenz zu erlösen.
    Er suchte und fand den zerborstenen Spiegel, an dem getrocknetes Blut klebte – sein Blut. Mit der Faust hatte er auf sein Abbild eingeschlagen, weil er den Menschen verabscheute, zu dem er geworden war. Er erinnerte sich wieder, wie sein Blut zu fließen anfing, warmes, rotes Blut, ein Beweis dafür, daß er trotz allem noch lebte, noch jung und vital war. Also war er doch nicht hinter seiner seelenlosen Maske gestorben.
    Später hatten er und Mond sich in diesem Zimmer, auf diesem Bett geliebt und das junge Leben gezeugt, das nun in ihr heranwuchs .. .
    Er sah Mond an und bemerkte gerade noch, wie ein schmerzlicher Ausdruck über ihr Gesicht huschte. Ob es ein körperlicher Schmerz war oder ein seelischer, hervorgerufen durch die Erinnerung, vermochte er nicht zu sagen: Doch als er sich wieder zur Tür wandte, kam sie bereitwillig mit. Nachdem er das Zimmer abermals versiegelt hatte, flüsterte sie: »Ich werde nie wieder hierher zurückkommen, und ich möchte nicht, daß jemand anders diesen Raum betritt.«
    Er nickte und hoffte, ihre Wanderung durch den Palast sei endlich vorbei. Doch sie entdeckte die Wendeltreppe, die sich hoch hinauf in ein geheimnisvolles Dunkel schraubte. »Wohin führt diese Treppe?« wollte sie wissen.
    »Zu Arienrhods privatem Arbeitszimmer«, erklärte er. »Niemand außer ihr durfte dort hinein.« Plötzlich war seine Neugier geweckt, und er begann die Treppe hinaufzusteigen. Sie folgte ihm langsam. Die schmalen Stufen führten in das nächste Stockwerk und noch darüber hinaus.
    Ihm stockte der Atem, und er hörte, wie Mond einen überraschten Schrei ausstieß. Sie befanden sich in der Spitze des Palastes, am höchsten Punkt der Stadt. Hinter der gläsernen Kuppel schien der Himmel zu brennen, wie Flammen funkelten und glühten die unzähligen Sonnen der Galaxis, in die ihr Planetensystem vor Honen hineingedriftet war.
    Tiamats einziger großer Mond war in dieser Nacht nicht zu sehen, aber ein Stern strahlte heller als alle anderen: der Sommerstern. Seine zunehmende Leuchtkraft zeigte an, daß sich ihr System dem Schwarzen Loch näherte, das die Zwillingssonnen eingefangen hatte.
    Das Schwarze Loch war eine Schwerkraftfalle, die selbst das Licht verschluckte. Die Außenweltler nannten dieses astronomische Phänomen die Schwarze Pforte, und sie benutzten die Öffnung in eine andere Realität dazu, um mit ihren Sternenschiffen Überlichtgeschwindigkeit zu erreichen.
    Hinter der Schwarzen Pforte lagen die sieben anderen Welten der Hegemonie, einige von ihnen unvorstellbar weit entfernt. Sie hatten Verbindung miteinander, weil die Schwarze Pforte die Sternenschiffe in eine Region schleuderte, in der der Raum einem aufgerollten und

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