Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt
...
Gleich mußte er etwas tun, wovor er sich die ganze letzte Woche, die er auf seinem Besitz weilte, gedrückt hatte. Lieber beschäftigte er sich mit Details und Arrangements, die er genausogut anderen hätte überlassen können, und ständig nahm er Kontakt mit den Verantwortlichen in den orbitalen Schiffswerften auf ...
Während Servos begannen, Stühle einzusammeln und fortzutragen, betrachtete er das Herrenhaus auf der Spitze der Felsnadel. Die von Ranken überwucherten Gemäuer aus einheimischem Naturstein wirkten so solide, wie ihm die Reputation seiner Familie einstmals erschienen war. In den Fensterscheiben spiegelte sich grell das Sonnenlicht, und indem er zu lange in die Helligkeit starrte, verschwammen die Farben des Gartens vor seinen Augen, bis sie den buntschillernden Farbspielen auf Öllachen glichen.
Er drehte sich um und schickte sich an, den gefliesten Patio zu überqueren; verdutzt blieb er stehen.
Am anderen Ende des Platzes harrte noch ein letzter Gast aus: eine Frau in einer schlichten grauen Robe; ihr Haar war nach oben gekämmt und zu einer kunstvollen, weitausladenden Frisur gesteckt, die ihn an ausgebreitete Vogelschwingen erinnerte. Er ging zu ihr. Anstatt ihm entgegenzukommen, rührte sie sich nicht vom Fleck, aber nicht' aus Arroganz, sondern weil sie sich offenbar unsicher fühlte.
»Netanyahr-kadda«, murmelte er überrascht, als er die Frau erkannte, die seine Güter einmal besessen hatte.
Sie verneigte sich. »Gundhalinu-sathra«, grüßte sie. Er konnte sich nicht denken, warum ihre Stimme so traurig klang, und weshalb sie so mitleidvoll dreinbliccte. »Ich überredete einen geladenen Gast dazu, mich hier einzuschleusen ... Bitte verzeihen Sie mir, wenn ich Sie schon wieder belästige. Ich möchte Sie nicht in Verlegenheit bringen, aber ich wollte Sie unbedingt wiedersehen ... um Ihnen mein Beileid auszusprechen«, erklärte sie hastig, als seine Miene sich veränderte. »Es tat mir schrecklich leid, als ich vom Unfall Ihrer Brüder erfuhr.«
Es braucht Ihnen nicht leid zu tun,
hätte er beinahe gesagt, doch er beherrschte sich.
»Sie sollen wissen, daß ich nicht vergessen habe, wie außerordentlich freundlich Sie einmal zu mir waren. Es genügte mir nicht, Ihnen einen floskelhafte Kondolenzbrief zu schicken, der einer unter Tausenden gewesen wäre; und daß wir uns zufällig begegnen würden, war sehr unwahrscheinlich, deshalb schmuggelte ich mich hier ein, um Ihnen das alles persönlich zu sagen.« Er nickte, erwiderte jedoch nichts. »Und jetzt lasse ich Sie wieder allein.« Sie verneigte sich abermals und ging nach kurzem Zögern davon.
Er schaute ihr nach, wie sie zwischen den Blumen verschwand; erst als er sie fast nicht mehr sehen konnte, löste sich seine Starre, und er rief ihren Namen.
Auf dem mit golden blühenden Sträuchern gesäumten Pfad eilte er ihr hinterher; beim achteckigen, blau und gold gekachelten Springbrunnen wartete sie auf ihn. »Danke, daß Sie gekommen sind«, sagte er, noch ehe er bei ihr war. Wie er dann vor ihr stand, verschlug es ihm wieder die Sprache.
Erwartungsvoll sah sie ihn an, und er blickte zur Seite. »Netanyahr-kadda«, sagte er schließlich, »ich wollte gerade zum Familienschrein hinabgehen und beten.«
Versuchen zu beten.
»Bitte tun Sie mir den Gefallen und begleiten Sie mich.«
Sie schien überrascht zu sein, doch sie nickte. Seite an Seite schlenderten sie durch die Gärten und machten belanglose, unverfängliche Konversation über die Pflanzen und das Wetter. Heimlich beobachtete er sie und merkte, wie sehnsüchtig sie die Anlage betrachtete. Er selbst konnte sich ja nie an dem Anblick sattsehen. Das Herrenhaus thronte auf der Spitze eines Kalksteinturms, wie sie zu Dutzenden über dem alten, erodierten Land verteilt standen. Von seinem Standort aus erblickte er viele andere dieser Felsnadeln, die sich wie knorrige Kamine aus dem satten Grün der Ebene erhoben, und von denen die meisten Villen trugen wie die seine.
Mein Besitz ...
Er blickte in die Runde, und ein plötzlicher Schwindel packte ihn.
Auf einem Felsvorsprung, der über einen tiefen Abgrund hinausragte, stand weißglänzend der Familienschrein. Er lag nicht verborgen inmitten eines Labyrinths aus Hecken; der Felssporn bot eine Abgeschiedenheit, die die meisten Herrensitze vermissen ließen. Als sie die Wartebank am Weg erreichten, blieb Pandhara Netanyahr stehen. Während sie mit den Fingerkuppen über die filigrane Rückenlehne strich, sah sie ihn an; sie
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