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Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt

Titel: Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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als erwache sie aus einem bösen Traum.
    Ein Mann in der Uniform eines Stadtkonstablers näherte sich ihr in unterwürfiger Haltung. »Herrin ...«, murmelte er und neigte den Kopf. »Kommandantin ...« Er wandte sich an Jerusha und sprach sie mit ihrem alten Titel an. »Der wachhabende Sergeant läßt Ihnen ausrichten, daß eine Person verhaftet wurde, die versuchte, mit einem versteckten Messer in den Palast einzudringen ...«
    »Nicht hier, verdammt noch mal!« zischte Jerusha ihm wütend zu, während Mond neben ihr erstarrte. Sie gab dem Mann einen Wink, er solle sich entfernen. Der nickte brüsk und trat zur Seite.
    »Was war das, Mama?« fragte Tammis ängstlich, als er die besorgte Miene seiner Mutter sah. »Will uns jemand weh tun?«
    »Nein, mein Schatz«, tröstete sie ihn und preßte ihn an sich. »Natürlich nicht.« Sie ging mit ihm durch den Saal zu der breiten, geschwungenen Treppe, wo Ariele schon auf sie wartete und zur Eile drängte.
     
    Voller Mitgefühl sah Jerusha der Königin und ihren Kindern hinterher. Dann wandte sie sich mit strenger Miene an den Konstabler. »Bei allen Göttern, Shellwaters – wie konnten Sie so etwas vor den Kindern sagen, wenn Sie schon keine Rücksicht auf die Königin nehmen wollten!«
    Er zog eine Grimasse und blickte zu Boden. »Ich bitte um Vergebung, Kommandantin, ich ...«
    »Schon gut. Aber das nächste Mal denken Sie daran.«
    »Jawohl, Kommandantin.« Erleichtert hob er den Kopf. Auch Jerusha atmete auf, als sie seinem offenen Blick begegnete. Er war ein Tiamataner, und das hieß, daß es ihm nichts ausmachte, unter einer Frau zu dienen; weil er obendrein dem Wintervolk angehörte, fand er nichts dabei, daß seine Kommandantin eine Außenweltlerin war. Wenn Jerusha PalaThion ihren Dienst versah, fühlte sie sich in dieser Welt weniger fremd als früher, als Tiamat noch von der Hegemonie beherrscht wurde. »Sie sprachen vorhin von einer Person, die ein Messer in den Palast schmuggeln wollte – ist es ein Mann oder eine Frau?
    »Eine Frau, Kommandantin, vom Sommervolk. Sie behauptet, die Meeresmutter habe ihr befohlen, die Hochstaplerin, die den Platz der Königin einnimmt, zu beseitigen.« Angewidert verzog er das Gesicht, und ein Unterton in seiner Stimme deutete an, daß er von einer Sommerfrau nichts anderes erwartete. »Wir haben sie eingesperrt.«
    »Das ist gut. Morgen erwarte ich Ihren vollständigen Bericht. Und sorgen Sie dafür, daß sich der Klatsch in Grenzen hält.«
    Er nickte und salutierte lässig, nach Art der Einheimischen.
    Als er den Saal verließ, merkte sie, daß er von vielen Dienstboten beobachtet wurde. Ihr war klar, daß die Gerüchteküche bereits brodelte. Kurioserweise waren die Winterleute von Karbunkel der Königin treuer ergeben als die Sommerclans. Das wußte Mond Dawntreader, und Jerusha wußte es auch. Jerusha versuchte, Mond und ihrer Familie die Erkenntnis zu ersparen, wie viele engstirnige religiöse Fanatiker es unter ihren eigenen Leuten gab, doch im Grunde wußte sie, daß sie diese Tatsache vor Mond nicht verheimlichen konnte.
Die Meeresmutter hatte ihr befohlen, die Königin zu töten ...
Jerusha schüttelte den Kopf. Was überkam nur manche Leute? Doch dann fiel ihr ein, daß Mond Dawntreader ja selbst behauptete, Stimmen zuhören, die ihr auftrugen, mit alten Traditionen zu brechen und ihre Welt zu verändern.
    Jerusha seufzte und blickte zu der Treppe hin, die Mond mit den Kindern hinaufgestiegen war, und deren Stufen sich droben in der Dunkelheit verloren. Sie spürte eine Anwandlung von Angst, als sie daran dachte, Tammis und Ariele könnte etwas zustoßen. Sie liebte diese Kinder, als wären sie ihre eigenen, und wenn ihre jetzige Schwangerschaft wieder mit einer Fehlgeburt endete, würde sie wahrscheinlich niemals eigene Kinder haben. Doch dann verscheuchte sie diese trüben Gedanken. Dieses Mal würde bestimmt alles gutgehen.
    Hätte sie beim Wechsel Tiamat verlassen, hätte man ihr helfen können; aber dann wäre sie jetzt nicht Miroes Frau und hätte gar keinen Grund, sich ein Kind zu wünschen. Für sie hätte es sich nicht einmal mehr gelohnt, ein System zu bekämpfen, das es ihr verwehrte, ein erfülltes Leben zu führen, wie es jedem Mann aus ihrem Volk zustand. Auf Newhaven hatte man von ihr erwartet, daß sie sich verhielt wie alle Frauen – sie sollte heiraten, Kinder in die Welt setzen und ihrem Gatten eine unterwürfige, treusorgende Gattin sein. Hier, auf Tiamat, hatte sie endlich die Chance

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