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Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt

Titel: Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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bekommen, sich als Mensch frei zu entfalten. Doch als es dann für einen Sinneswandel zu spät war, spielte ihr das Schicksal zum Schluß noch einen grausamen Streich. Dieses Mal hatte sie es niemandem erzählt, daß sie schwanger war, aus abergläubischer Furcht, sie sei verletzlicher, wenn andere es wüßten.
    Sie ging zur Tür und versuchte, ihre melancholischen Gedanken abzuschütteln; dabei wußte sie genau, daß sie sie mit nach Hause nehmen würde, in die leere Wohnung, die sie drunten im Labyrinth von Karbunkel erwartete. Sie würde mit Miroe sprechen, seine Stimme konnte eine Zeitlang die Stille vertreiben und ihre Ängste unterdrücken. Die meiste Zeit über hielt er sich fernab der Stadt auf, er bewirtschaftete die Plantage und experimentierte mit der neuen Technologie, die die Sibyllen und die Winterleute ständig verbesserten.
    Er meidet Karbunkel,
redete sie sich ein,
er meidet nicht mich.
Doch je länger sie darüber nachdachte, um so unsicherer wurde sie. So wie sie längst eingesehen hatte, daß sie nur aus Verzweiflung auf Karbunkel geblieben war – und aus keinem anderen Grund.
     
    Mond betrat das Zimmer; die unerwartete Helligkeit blendete sie, denn durch das ovale, beinahe wandgroße Fenster blickte man direkt auf den Sonnenuntergang. Blinzelnd gewahrte sie die Silhouette ihrer Großmutter, und als ihre Augen sich an das Licht gewöhnt hatten, konnte sie ihre Gesichtszüge ausmachen. »Gran ...«, rief sie und brach erschrocken ab.
Wie alt sie geworden ist.
    Sie hatte ihre Großmutter völlig anders in Erinnerung und war nicht auf den Anblick dieser gebeugten, verhutzelten Greisin vorbereitet. Ihr Haar war schneeweiß, und durch die fahle Haut sah man das Geflecht der Äderchen schimmern. Als Mond sie das letzte Mal gesehen hatte, war sie grauhaarig gewesen, und ihre von Wind und Wetter gegerbte Haut war auch faltig; doch sie wirkte stark, rüstig und vital. Sie hatte sich um zwei heranwachsende Kinder gekümmert – um Mond und um ihren verwaisten Vetter Funke –, wenn Monds Mutter mit den Fischern hinaus aufs Meer fuhr ...
Das ist doch erst acht Jahre her.. .
    Aber das stimmte nicht. Für Mond waren acht Jahre vergangen, doch in dieser Zeit hatte sie die Außenwelt besucht, und durch die Zeitdilatation während des Transfers war ein zeitlicher Unterschied von fünf Jahren entstanden. Seit Mond die Windwärts-Inseln verlassen hatte, um Funke in eine ungewisse Zukunft zu folgen, war ihre Großmutter fast vierzehn Jahre älter geworden.
    Grans Gesicht leuchtete vor Freude, als sie ihre Enkeltochter wiedersah, und ihre Urenkel zu ihr gerannt kamen, um sich in ihre Arme zu werfen und sie zu küssen. »Mond ...« Sie versuchte, von der gepolsterten Sitzbank aufzustehen. Doch plötzlich veränderte sich ihre Miene, und sie neigte den Kopf. »Ich meine, Herrin...«
    »Gran«, sagte Mond, die ihre Stimme wiedergefunden hatte. Sie eilte nach vorn, umarmte ihre Großmutter und stützte ihren gebrechlichen Leib. »Ach, Gran!« Mond konnte ihre Knochen fühlen, die so leicht und zerbrechlich zu sein schienen wie die eines Vogels. Sie erinnerte sich, wie stabil und robust ihre Großmutter früher gewesen war. »Ich bin es doch nur, vor mir brauchst du dich nicht zu verneigen.« Plötzlich kam sie sich wieder vor wie mit siebzehn, als sie ihre Heimat verlassen hatte, oder noch jünger, zwölf vielleicht oder gar fünf...
    Gran packte sie mit einer Kraft, die sie ihr nicht mehr zugetraut hatte, und hielt sie auf Armeslänge von sich. »Dich hat die Meeresgöttin auserwählt, also sprichst du in ihrem Namen«, sagte sie. Der Blick, mit dem sie ihre Enkeltochter nun musterte, hatte nichts von seiner Schärfe und Klarheit verloren. »Ich habe dich großgezogen, mein Kind, und ich bin stolz, daß dir diese Ehre zuteil wurde. Du wirst es mir doch erlauben, dir den gebührenden Respekt zu zollen.«
    Mond nickte still, immer noch überwältigt von dem unverhofften Wiedersehen nach so langer Zeit. »Ich bin so froh, daß du hier bist«, flüsterte sie und versuchte vergeblich, ihre ausgelassenen Kinder zur Ruhe zu mahnen.
    Gran schloß die Kinder wieder in die Arme. »Du und Funke, ihr habt mir auf meine alten Tage eine wunderbare Überraschung bereitet. Dadurch wird mir der Wechsel leichter.«
    »Gran, du bist nicht alt«, sagte Mond und merkte sogleich, wie unecht ihre Worte klangen. Sie wünschte sich, sie hätte den Mund gehalten. Dann führte sie ihre Großmutter zu der Sitzbank zurück. »Hast du Hunger? Wie

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