Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt
nie geändert und würde es auch nie tun. Denn er symbolisierte immer noch alles, was seine Persönlichkeit ausmachte, und er war sein Erbe.
Als Mutter hatte Mond das Privileg zugestanden, die Namen für die Kinder auszusuchen. Aber sie hatte den Zwillingen keine rituellen Namen gegeben, wie es sich gehört hätte, sondern welche, die auf Tiamat völlig ungebräuchlich waren. Nach dem Grund dafür hatte er sie nie gefragt – vielleicht aus Angst vor der Antwort, wie er sich nun erbittert eingestand; denn er wußte, daß sie während des Fests mit einem anderen Mann zusammengewesen war, einem Polizeiinspektor von Kharemough, der ihr geholfen hatte, ihn aufzuspüren.
Ariele kam ganz nach der Mutter; sie glich Mond so sehr, daß es ihm manchmal weh tat, sie anzusehen; denn dann erinnerte er sich an ihre Kindheit, wie er und Mond zusammen an goldenen Stränden entlanggelaufen waren, um die Wette mit den Vögeln, die sie aufscheuchten, lachend und voller Leben.
Tammis hingegen ... Der Junge ähnelte auch seiner Mutter, aber seine Haut war für einen Tiamataner viel zu dunkel, sie war so dunkel wie die eines Kharemoughi. Abermals faßte Funke nach dem Medaillon an seinem Hals – sein eigener Vater war zur Hälfte ein Kharemoughi gewesen, und nach einheimischen Maßstäben hatte auch er – Funke – eine dunkle Haut. Er wußte nicht, wie jener andere Mann aussah, er hatte ihn nicht mehr kennengelernt, bevor er zusammen mit den anderen Außenweltlern Tiamat verließ.
Aber Tammis glich ihm – Funke – überhaupt nicht, auch wenn Mond oftmals das Gegenteil behauptete. Er versuchte, nicht mehr daran zu denken und sich seine Zweifel nicht anmerken zu lassen ... Er liebte seine Kinder, und er liebte seine Frau. Und er wußte, daß sie ihn liebten. Er und Mond bauten sich gemeinsam ein neues Leben auf, sie wollten eine neue Zukunft, für sich selbst und für Tiamat.
Wieso fiel es ihm dann jeden Tag schwerer, den Weg zum Palast hinaufzuklettern?
Mond stand allein in der Kammer im Turm des Palastes, hoch über der Stadt; näher konnte man auf dieser Welt den Sternen nicht kommen. Es war spät nachts; sie hatte das Gefühl für die Zeit verloren und ließ sich treiben. Sie sehnte sich nach Schlaf, doch sie brachte nicht die Kraft auf, den Tag zu beenden und zu Bett zu gehen.
Durch die gläserne Kuppel schaute sie hinaus aufs Meer. Heute nacht blieb das Wasser ruhig, ein schwarzer Spiegel für das sternenübersäte Firmament.
Die Oberfläche ließ keinen Blick durch, das Geheimnis wahrend, das in der Tiefe ruhte. Nur sie kannte die Wahrheit: daß sich das Herz des Sibyllennetzes hier befand, in einem Versteck unter dem Meer. Von hier aus reichten die unsichtbaren Fäden bis hin zu unzähligen Welten, die über die gesamte Galaxis verstreut waren. Das wußte nur sie, und sie durfte es niemandem verraten ...
Plötzlich wurde es unruhig im stillen Ozean. Sie sah Mers, eine ganze Kolonie, die diese wundervolle Nacht feierten, als hätten ihre Gedanken sie herbeigerufen. Das Sibyllennetz hatte ihr aufgetragen, für die Sicherheit der Mers zu sorgen; in einer Weise, die sie nicht ganz verstand, hing das Überleben der Mers mit der Zukunft ihres eigenen Volks und der des Sibyllennetzes selbst zusammen. Sie beobachtete sie, wie sie in ausgelassener Freude zwischen zwei Welten herumtollten, inmitten einer Flut aus Sternen; ihre Anmut und Schönheit versetzten sie immer wieder in Erstaunen, so daß sie alles um sich her vergaß.
Die Tiamataner nannten die Mers die ›Kinder des Ozeans‹, und sie galten als heilig. Seit Jahrhunderten, ehe die Hegemonie diesen Planeten entdeckt hatte, lebten die Einheimischen friedlich mit den Mers zusammen. Es gab zahllose Geschichten, wie Mers Seeleute, die über Bord gefallen waren, gerettet hatten, oder wie sie Schiffe sicher durch die tückischen Passagen zwischen den Korallenriffen geleiteten. Mond selbst war einmal von den Mers gerettet worden.
Doch seit über tausend Jahren kamen die Außenweltler hierher, auf der Suche nach dem Wasser des Lebens. Und das Sibyllennetz hatte gelitten, indem die Mers abgeschlachtet wurden, bis es sich zum Schluß an sie allein gewandt hatte und ihr befahl, dem Gemetzel Einhalt zu gebieten, weil ihrer aller Zukunft auf dem Spiel stünde. Sie mußte gehorchen ... so wie man sie auch gezwungen hatte, die Sommerkönigin zu werden. Doch dann hatte das Sibyllennetz es ihr allein überlassen, zu kämpfen. Etwas in ihr gab ihr keine Ruhe, es trieb sie an, die
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