Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt
und her.
»Ich war es«, antwortete Aiolered, ein Händler, der im Privatleben ein gutgehendes interstellares Geschäft mit Datenspeichern betrieb.
»Ich war es.« Er erkannte die Stimme von Mutter Weary, eine der wenigen Frauen, die es im Drogenhandel zu etwas gebracht hatten; sie war das Oberhaupt eines Kartells, das noch weiter expandierte. Dabei war sie an die achtzig und bösartig wie Feuerdorn.
»Ich war es.« Das war TolBeoit, der allem Anschein nach nur Kräuterkuren verkaufte. Sein Laden lag in Newhaven.
»Wer hat diese Bruderschaft ins Leben gerufen, uns Pflichten auferlegt und uns die Macht des Wissens gezeigt?« leierte der Hohepriester herunter.
»Mede«, antwortete jemand in seiner Nähe.
»Ilmarinen«, sagte Baredo, der neben ihm saß. Reede rührte sich nicht und hielt die Augen fest geschlossen. Drei Gesichter, die aus seiner Erinnerung auftauchten, fesselten ihn. Er war wie gelähmt. Er wußte, daß er an der Reihe war zu sprechen, brachte jedoch kein Wort heraus. Baredo beugte sich über den leeren Sessel, der zwischen ihnen stand, und rüttelte ihn ungeduldig am Arm. Reede zuckte zusammen und starrte ihn wütend an. »Und Vana ... Vana ...«
»Vanamoinen«, half Mundilfoere aus. Beruhigend streichelte sie kurz seine Hand. Seine Handflächen fühlten sich kalt und klamm an. Er blinzelte, weil ihm die Augen brannten.
Er haßte es, diesen Namen auszusprechen.
Wenn er damit an der Reihe war, wollte er ihm nie über die Lippen kommen. Die anderen Namen machten ihm nichts aus; dieser jedoch ...
»He, Schmied«, schnaubte Mutter Weary. »Penisneid?«
Über den Tisch hinweg funkelte Reede sie zornig an. »Halt den Mund, du vertrocknete alte Schachtel!« Ihr meckerndes Lachen ging ihm auf die Nerven. Aus demselben Grund, weshalb sie ihn ›Schmied‹ nannten, nannten sie ihn manchmal ›der neue Vanamoinen‹.
Denn wenn es um ein Projekt in der Biotechnologie ging, war er unschlagbar. Er löste jedes Problem. Von der Bruderschaft hatte er oft genug gehört, daß nur das letzte bekannte Genie des Alten Imperiums, besagter Vanamoinen, ihm überlegen gewesen wäre. Vanamoinen hätte angeblich sogar das Wasser des Lebens synthetisch herstellen können, das einzige Projekt, bei dem er, Reede Kullervo, gründlich gescheitert war. In letzter Zeit war dieser Titel mit Häme vermischt, obwohl der echte Vanamoinen nichts weiter gewesen war als ein geschickter Manipulator der damals bestehenden Technologie; obendrein hatten ihm noch die Ressourcen eines Imperiums und die brillanten Ergebnisse einer jahrtausendelangen Forschung zur Verfügung gestanden. Diesen Vorsprung konnte die Bruderschaft niemals aufholen ... nicht, wenn sie auf die Acht Welten der Hegemonie beschränkt blieb.
Er haßte es, wenn man ihn mit Vanamoinens Namen neckte, doch das war nicht der Grund, weshalb er ihm jedesmal ihm Hals steckenblieb, wenn er ihn aussprechen sollte. Er blickte an sich hinab und starrte auf die rohen Kristalle, die in allen Regenbogenfarben auf seinem nachtschwarzen Hemd glitzerten. Er betrachtete seine Hände, seine tätowierten Arme und seinen muskulösen Körper, und er erinnerte sich daran, wie er vor kurzem erst diese Muskeln und seine überragenden Reflexe dazu benutzt hatte, einen elenden, betrügerischen Drogenhändler halbtot zu schlagen.
Vanamoinen. Vanamoinen.
Der Name kreiste in seinem Kopf wie ein obszöner Refrain, ihm keine Ruhe lassend. Dabei lag die wirkliche Obszönität in etwas ganz anderem ...
Reede beugte und streckte seine lädierten Finger und zwang sich zur Konzentration. Er mußte mitbekommen, was um ihn herum vorging. Das fade Ritual war fast zu Ende – die Anrufung, die dazu dienen sollte, sie an die übergeordnete Instanz zu erinnern, der diese spezielle Clique angehörte: den Survey.
»Was ist seit Jahrtausenden unser vornehmstes Ziel?« intonierte Irduz.
»Das Überleben«, antwortete Baredo neben ihm, während das Frage-und-Antwort-Ritual weiterging.
»Was verbindet uns alle miteinander?« schnurrte Irduz die letzte rituelle Frage herunter.
»Blut.«
»Blut.«
Reede hob den Kopf, sein Mund war zum Antworten halb geöffnet.
Auf dem Platz zu seiner rechten saß nun jemand – oder etwas: ein konturloser, amorpher Schatten, in dem sich ein menschlicher Körper verbergen konnte ... eine irgendwie deformierte, zusammengekrümmte Gestalt.
Reede fluchte verhalten und rückte instinktiv von dem Ding ab, das da plötzlich neben ihm aufgetaucht war.
Die Quelle.
Er fragte sich,
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