Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt
Polizistenkiller. »Sieh dir den an – was für Zähne der hat. Tolle Sache! Nach dir!« Er machte eine Geste.
Gundhalinu kniete nieder und stöberte in dem Beutel mit der Ausrüstung. Die frischen Kristalle lagen vor ihm wie ein seltsames Bukett; zum erstenmal sah er eine unberührte Auswurfstelle. Die asymmetrisch geformten, zierlichen Kristalle waren das Schönste, was er je in dieser trostlosen Landschaft gesehen hatte. Er streifte sich die Schutzhandschuhe über und wollte den ersten Zweig pflücken.
Der Boden zitterte. Er verlor das Gleichgewicht und kippte vornüber; seine Hand knallte in das Nest aus kristallinen Zweigen, die zerbrachen und in den Kraterschlund zurückfielen. Eine zweite, heftigere Schockwelle beförderte ihn um ein Haar hinterher; verzweifelt warf er sich nach hinten.
Er hörte, wie der Polizistenkiller einen unartikulierten Ruf ausstieß, dann sah er, wie er taumelte und hinstürzte, als das Beben nicht aufhörte. Ein Donnergrollen, das von überallher zu kommen schien, und so tief war, daß er es anfangs nicht wahrgenommen hatte, vibrierte durch den Boden, durch die Luft und durch jedes Atom seines Körpers. Vor Fassungslosigkeit und Angst war er wie gelähmt, bis der Polizistenkiller zu ihm kroch und ihn grob anstieß. »Steh auf!« schrie er ihn an. »Nach oben klettern. Hier unten haben wir nichts mehr zu suchen!«
Gundhalinus Instinkte übernahmen die Kontrolle, und er stemmte sich auf die Knie. Mechanisch, als sei er eine Maschine ohne eigenen Willen, krabbelte er den Hang hinauf.
Die Hügelflanke hob und senkte sich; sie schwankte unter ihm, und er kam sich vor wie in einem Schiff auf hoher See. Er strauchelte und fiel der Länge nach hin. Fluchend spürte er, wie er den Abhang hinunterrutschte.
Hinter ihm brüllte der Polizistenkiller. Er wälzte sich herum, um ihn anzusehen, und in diesem Moment riß der gemarterte Boden am Grund der Senke auf, Dämpfe und Asche speiend und ihren wunderschönen Krater verschlingend. Und der Polizistenkiller schlitterte nach unten auf den plötzlichen Riß in der Realität zu.
Gundhalinu warf sich auf den Bauch und glitt den qualmenden Hang hinab, bis er den Knöchel des Polizistenkillers zu fassen bekam. Alle viere von sich streckend grub er sich mit der freien Hand und den Füßen in den wabernden Boden. »Halt durch!« brüllte er dem Polizistenkiller zu, obwohl er nicht wußte, ob der ihn überhaupt hören konnte.
Er kniff die Augen zu, biß auf die Zähne und preßte seinen Körper gegen den Hang, um ein weiteres Abrutschen zu verhindern; währenddessen schien sich der gesamte Planet in gigantischen, konvulsivischen Zuckungen zu winden.
Nach einer Zeit, die ihm wie eine Ewigkeit vorkam, merkte er, daß der Boden sich wieder beruhigt hatte und daß kein Grollen wie die Stimme einer chtonischen Gottheit seine Ohren füllte; was er jetzt noch als Lärm und Bewegung empfand, waren die Nachwehen seiner überreizten Phantasie. Lediglich seine Furcht war noch real. So abgekämpft, daß er nicht einmal mehr den Kopf heben konnte, lag er da, und seine starren Finger um-krallten das Bein des Polizistenkillers. Nach einer Weile ebbte seine Angst ab, bis sein Geist nichts als eine weiße Ödnis war, die an Schneefelder gemahnte. Und er sah ihr Haar, bleich wie ein Schneefeld, wie es ihr Gesicht umrahmte und über ihre Schultern fiel; er sah ihre Haut, die durchscheinend schimmerte wie Mondlicht, und ihre Augen, die ihn an Nebel und Achate erinnerten ...
»Verräter!« Jemand schüttelte ihn und rief seinen Namen oder die Bezeichnung, die man als seinen Namen verwendete, als hätte er nie anders geheißen, als hätte es für ihn nie ein anderes Leben gegeben. Völlig verwirrt schüttelte er den Kopf; er wußte überhaupt nichts mehr, er merkte lediglich, daß der Polizistenkiller neben ihm stand, ihm hochhelfen wollte und versuchte, ihm eine Reaktion zu entlocken. Stöhnend spuckte er Schlacke und Asche aus, und als er sich mit den Händen das Gesicht rieb, brannte seine lädierte Haut wie rohes Fleisch. »Bei allen Göttern!« ächzte er. »Bist du unverletzt?«
Der Polizistenkiller nickte und deutete auf die klaffen.
de Wunde im Boden, nur etwa zwei Meter von ihnen entfernt. »Mir fehlt nichts«, knurrte er und wischte sich das Gesicht mit dem Ärmel ab. »Dieses Mal hat der Heimliche eine gute Falle gestellt, bei Hanu!« Mürrisch peilte er die Stelle an, wo sich noch vor Minuten – oder waren es Jahrhunderte? – der wertvollste Schatz
Weitere Kostenlose Bücher