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Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt

Titel: Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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und Durst herrührte. In der Zelle, gleich hinter der Barriere, stand jetzt ein Tablett mit Essen. Sie fragte sich, wie lange es wohl schon dort stehen mochte, sie hatte nicht den geringsten Anhaltspunkt, wieviel Zeit verstrichen war.
    Sie stand auf und holte sich den Teller und einen Becher mit einem fremdartigen Getränk. Ehe ein Schwächeanfall sie übermannte, setzte sie sich wieder hin und wartete regungslos ab, während ihr Herz wie verrückt hämmerte. Dann aß sie langsam, jeden Bissen des frugalen, einheimischen Mahls auskostend; auf diese Weise zögerte sie den Zeitpunkt hinaus, an dem sie weiter als bis zum nächsten Augenblick denken mußte.
    Nachdem sie gegessen hatte, arbeitete auch ihr Verstand wieder. Ihre Kleidung war getrocknet, und sie ordnete sie, so gut es ging. Sie strich sich die zerzauste Mähne nach hinten und flocht sie zu einem langen, adretten Zopf. Plötzlich merkte sie, daß jetzt zwei Decken auf ihrem Bett lagen; während sie schlief, hatte jemand nach ihr geschaut.
    Sie stand auf, ging zur vorderen Zellenwand und rief. Nur Echos antworteten. Vermutlich wurde sie beobachtet, dafür sprach schon Vhanus pathologische Angst vor ihr; aber im gesamten Zellenblock schien sich außer ihr kein Mensch zu befinden. Man hatte sie bestimmt mit Absicht isoliert. Vhanu wollte verhindern, daß jemand ihren genauen Aufenthaltsort erfuhr.
    Sie berührte die Verletzung an ihrer Wange, wo er sie geschlagen hatte, und eine eisige Kälte kroch in ihr hoch. Wieso war sie hier? Was hatte er mit ihr vor? Wollte er sie heimlich deportieren lassen wie BZ Gundhalinu? Doch in diesem Fall hätte sie eigentlich schon fort sein müssen ...
    Sie hockte sich wieder auf die Pritsche und kämpfte gegen Frustration und Wut an; sie war sich ihrer Hilflosigkeit voll bewußt. Ihr fiel Ariele ein – doch als der Schmerz sie blendete, verdrängte sie den Gedanken wieder. Sie fragte sich, ob auch Jerusha hier festgehalten wurde ... ob Vhanu den Palast durchsuchen ließ ... ob man Reede verhaftet hatte. Jerusha wäre die einzige Person, die noch etwas hätte ändern oder aufhalten, die sie hätte befreien können. Sie krallte ihre Finger in den Stoff ihres Gewands und wiegte sich langsam vor und zurück.
    Plötzlich erinnerte sie sich, daß Vhanu gesagt hatte, ein Tribunal sei unterwegs, um darüber zu befinden, wer die Wahrheit sprach, sie oder er. Was hatte er ihr noch entgegengeschleudert, als er drunten im Sturm den Schwall von Anschuldigungen gegen sie vorbrachte? –
Sie seien bereits da, könnten aber nicht landen?
    Hielt er sie fest, um sie dem Tribunal als Feindin der Hegemonie vorzuführen, die Gundhalinu zu Fall gebracht hatte? Oder wollte er sie einfach eingesperrt lassen, ihr nicht einmal die Möglichkeit zur Rechtfertigung geben, bis die Abordnung wieder abreiste und ihn als offiziellen Machthaber zurückließ? Was würden sie mit ihr machen, wenn er versuchte, ihr gewaltsam die Wahrheit zu entreißen? – Sie gab sich ihren Vorstellungen hin, ließ die sinnlosen, beängstigenden Visionen auf sich einwirken, beschäftigte ihre Phantasie mit allen möglichen Szenarien. Sie tastete die Bilder ab, wie Perlen in einer Kette, und versuchte eine Lösung zu finden; denn Grübeln war das einzige, was ihr noch geblieben war.
    Endlich hörte sie den Widerhall von Stimmen und Schritten, und sie wußte, daß sie ihr weiteres Schicksal bald erfahren würde.
    Sie stand auf und ordnete ihre zerknitterte Kleidung, so gut es ging; in dem Augenblick betraten Wächter die Zelle, um sie herauszuholen; aber es waren nicht die Männer, die gesehen hatte, wie ihr Kommandant eine wehrlose Gefangene schlug.
    »Wohin bringt ihr mich?« fragte sie mit möglichst neutraler Stimme, als man ihr die Hände auf dem Rücken fesselte.
    »Zum Sternenhafen.«
    »Und wozu?«
    »Der Kommandant hat es so befohlen.« Ohne weitere Erklärungen führte man sie durch die trostlosen Korridore und aus dem Polizeipräsidium hinaus.
    Der Orkan war vorbei; durch die Sturmwälle am Ende der Allee stahl sich helles Tageslicht. Besorgt fragte sie sich, wie ihr Volk mit dieser Katastrophe fertigwürde – wie viele Menschen außerhalb der schützenden Stadt von dem Unwetter überrascht worden waren und wie viele Leben die tosende See gefordert haben mochte. Sie dachte daran, wie es an den Ankerplätzen drunten ausgesehen hatte: nichts als weißschäumendes, kochendes Wasser, in dem Wrackteile umeinanderwirbelten. Wahrscheinlich waren viele Menschen bereits zu den

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