Tief atmen, Frau Doktor!
verstehen, daß wir in Schottland möglichst viel Zeit miteinander verbringen wollten, bevor er unter dem Nordpol verschwindet. «
»Sie sind Dr. Macgregor?« rief Lucy entsetzt aus.
»Und ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr ich mich freue, eine Zeitlang arbeiten zu können. Ich bin so froh, daß Liz Arkdale mich kommen ließ. Man langweilt sich gräßlich, wenn man nichts als die Berge zu sehen bekommt.« Sie sah sich im überfüllten Wartezimmer um. »Und Sie müssen Frau Doktor Liston sein?« lächelte sie, als Fay einherstolzierte. »Ich bin gleich hergekommen, nachdem ich mein Gepäck im Goldenen Ochsen abgestellt hatte. Natürlich mache ich Nachtdienst für dringende Fälle. Ich habe schon mit dem Nachtportier gesprochen, obwohl er wirklich schon ziemlich arthritisch und taub ist.«
»Aber sind Sie nicht ein bißchen...«, begann Fay ärgerlich. »Ich meine... verdammt, Sie sehen aus, als ob Sie jeden Augenblick fällig wären.«
»Ach, das da?« Dr. Janet Macgregors Aufmerksamkeit schien zum ersten Mal auf ihren gewölbten Bauch gelenkt zu werden. »Machen Sie sich keine Sorgen, es ist erst Sonntag in einem Monat soweit. Ich kann es genau berechnen, von dem Zeitpunkt, als das Unterseeboot meines Mannes im Hafen lag. Und wann sind Sie fällig?« fragte sie eine Frau in anderen Umständen freundlich, an deren Rockzipfel ein Kleinkind zog.
»Nächsten Sonntag, Frau Doktor.«
»Das ist Mrs. Burgess«, fügte Lucy hinzu.
»Nein, Frau Doktor. Ich bin Mrs. Palmer.«
»Ich bin Mrs. Burgess, und ich bin am Sonntag fällig«, sagte die Frau neben ihr.
»Es scheint, der Muttertag naht«, murmelte Fay.
»Warum kann ich nicht gleich anfangen?« Janet warf einen strahlenden Blick in die Runde und rieb sich die Hände. »Wer ist der Nächste?«
»Meiner Erfahrung nach«, antwortete eine andere schwangere Patientin, die einen Kinderwagen mit Zwillingen schaukelte, liebenswürdig, »glaube ich, das könnten Sie sein.«
Lucy nahm Fay beiseite. »Dr. Macgregor weiß doch hoffentlich, was sie tut? Sie ist eine intelligente Patientin.«
»Regel Nummer eins in Geburtshilfe«, antwortete Fay. »Es gibt keine intelligente Patientin.«
14
»Arbeit für dich«, sagte Lucy zu Fay. Es war am darauffolgenden Sonntagnachmittag.
»Ich habe noch kein Mittagessen gehabt.« Fay kam in die Praxis, nachdem sie sich gerade die Lungenentzündung eines Präbendars angesehen hatte.
»Ich auch nicht. Statt dessen habe ich Mrs. Ramachandran entbunden - die, die immer so reizend auf indische Weise grüßte, wenn sie zur Schwangerschaftskontrolle kam. Jetzt ist gerade Mrs. Burgess am Sieden. Und Mrs. Palmer auch, wenn sie nicht gar überkocht.«
»Na und? Was ist mit den Hebammen?«
»Eine hat einen Virus, und die andere ist in Griechenland.«
Das Telefon klingelte.
»Dr. Drake?« Es war Mr. Elvis, in heller Aufregung. »Wir sind soweit. Genau wie ich sagte. Wenn auch eine Spur zu früh. Aber ich nehme nicht an, daß Sie das stört?«
»Sind Sie ganz sicher?« fragte Lucy kurz angebunden.
Er klang gekränkt. »Natürlich bin ich sicher. Ich kenne die Symptome genauso gut wie das städtische Kanalsystem. Wir haben heftige Rückenschmerzen und regelmäßige Kontraktionen. Genau wie es in Kinderkriegen macht Spaß geschildert wird.«
»Ich komme sobald wie möglich vorbei. Bleiben Sie ruhig.«
»Ich bin so ruhig, wie der Matrose auf dem brennenden Deck, Frau Doktor. Ich glaube, meine Allerliebste ruft mich. Tschü-üs.«
»Was zum Kuckuck sollen wir tun?« Lucy legte den Hörer auf und blickte gehetzt um sich. »Allein schaffen wir es nicht. Auch wenn wir so viele Arme hätten wie die sonderbaren Statuen um Mrs. Ramachandrans Bett.«
Fay schnippte mit den Fingern. »Mama Arkdale!«
»Sie ist schon den ganzen Tag bei der Herzogin am Hofe von Westshire und rechnet damit, daß sie auch die ganze Nacht dort ist. Diese Familie pflanzt sich in recht eindrucksvoller Weise fort.«
»Wir haben völlig unsere eifrige Gehilfin Janet vergessen!« rief Fay aus.
»Natürlich! Sie hat die Fälle zwar nicht untersucht, aber Frauen bringen Kinder im Bus zur Welt, auch wenn sie vorher nicht vom Schaffner untersucht worden sind. Wir sagen ihr, daß alle mit Hand anlegen müssen«, sagte Lucy heiter.
»Ruf trotzdem im herzoglichen Entbindungszimmer an«, riet Fay. »Vielleicht brauchen wir Mama Arkdale doch, damit sie uns einen Rettungsring in Geburtshilfe zuwirft.«
Janet Macgregor saß gerade inmitten der Messingpokale und
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