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Tief durchatmen, die Familie kommt: Roman (German Edition)

Tief durchatmen, die Familie kommt: Roman (German Edition)

Titel: Tief durchatmen, die Familie kommt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Sawatzki
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spinnst du? Willst du mich kastrieren?«
    »Das ist gar nicht mehr nötig.« Damit ließ ich mich in meinen Sessel fallen und schloss die Augen.

23.
    Kapitel
    Kennen Sie das? Es gibt Abende, an denen alles schiefgeht. Man hat das Haus voller Gäste, und es gleitet einem alles aus der Hand. Alles verselbstständigt sich, das Essen misslingt, der Sekt schmeckt schal, der eigene Mann schläft mit offenen Augen, und irgendwann kriegen sich die Gäste in die Haare. Und man selbst steht ratlos daneben und kann nichts anderes tun, als zuzuschauen, wie sich der Abend langsam auf eine Klippe zubewegt, hinter der der unendliche, todbringende, alles verschlingende Abgrund lauert.
    Vor diesem Abgrund floh ich in die Küche. Als Rose im Türrahmen auftauchte, versuchte ich mein randvolles Grappaglas hinter meinem Rücken zu verstecken.
    »Du, Gundula, der Hadi würde jetzt gern ein bisschen aus seinem letzten Buch vorlesen, kommst du?« Nicht mal heimlich betrinken konnte man sich. »Jetzt?«
    »Ja, das passt doch so schön zum Heiligen Abend.« Dann schob sie noch mal nach: »Ach, Gundi, hast du vielleicht eine Idee, wie wir um Mitternacht zur Messe kommen sollen?«
    Das wieder!
    »Äh … Nein, keine Ahnung, ehrlich.«
    »Aber wir müssen dahin.«
    »Warum fragst du immer mich , wie ihr da hinkommen sollt?«
    »Wir sind ja nicht mit dem Wagen da und …«
    »Nehmt doch einfach die U -Bahn.«
    »Die U -Bahn?« Rose sah mich an, als hätte sie dieses Wort noch nie im Leben gehört. »Kommt ihr dann mit? Wir finden das nicht allein. In Memmingen können wir mit dem Fahrrad fahren.«
    »Das ist auch eine gute Idee, wir könnten euch die Fahrräder der Kinder leihen«, sagte ich. »Ricarda soll euch schnell den Garagenschlüssel geben.«
    »Du machst dich lustig über uns.«
    Langsam fing sie an zu nerven. »Aber nein, Rose«, sagte ich lahm. »Ihr seid doch wirklich alt genug, um allein zur Messe zu fahren.«
    »Ja, aber doch nicht nachts!«
    »Dann müsst ihr tagsüber in die Messe gehen«, sagte ich.
    »Morgen ist er doch schon geboren, dann bringt es nichts mehr.«
    »Wer ist geboren?«
    »Der Heiland.«
    »Das versteh ich, aber ich kann euch leider nicht mehr fahren, ich hab schon mindestens zwei Promille.« Ich holte mein Grappaglas hervor, trank es in einem Zug aus und schloss die Augen.
    Rose blieb schweigend vor mir stehen, und deshalb öffnete ich meine Augen irgendwann wieder. Sie glotzte mich entgeistert an. Dann sagte sie alarmiert: »Gundula! Du trinkst?«
    Vom Wohnzimmer klang die Stimme von Rex Gildo zu uns herüber. »Nur die Stimme deines Herzens sagt dir immer, welcher Traum dich tief berührt.«
    Ich dachte an Gerald, an unsere Mütter und an meinen Vater.
    »Ja, leider. Hin und wieder. Aber sag’s nicht weiter.« Ein bisschen Übertreibung konnte nicht schaden, vielleicht ergriff sie dann die Flucht.
    »Da musst du was dagegen tun!«
    »Ja, sagt mein Arzt auch immer. Aber der Tumor ist schon zu groß, da hilft nur noch immer weitertrinken.« Was hatte mich nur gepackt? Ich hatte plötzlich wahnsinnige Lust, mich danebenzubenehmen.
    Rose schluckte.
    »Welcher Tumor?«
    »Die Leber.«
    Sie starrte mich aus aufgerissenen Augen an. »Du hast Leberkrebs?«
    »Sie wissen es noch nicht genau, ist aber schon steinhart. Hier, fühl mal.«
    Ich nahm Roses Hand und führte sie zu meinem Hüftknochen. Ihre Hand zuckte zurück.
    »Das ist ja schrecklich! Gundel, dir darf nichts passieren, wir haben dich doch alle so lieb!« Sie nahm mich in ihre fleischigen Arme. »Dir darf nichts passieren!«
    »Ja, es ist leider zu spät.«
    Und jetzt wollte ich Rose auf die Probe stellen. »Rose. Wir sind uns doch alle so nah, oder?«
    »Ja, Gundel«, schniefte Rose.
    »Könntest du dir vorstellen, dass die Kinder dann bei euch wohnen? Wenn es mit mir vorbei ist? Gerald schafft das nicht allein.«
    Sie machte einen Schritt zurück und hatte wieder ihren Kuh-ohne-Fell-Blick.
    »Alle drei?«
    »Natürlich, wer würde es übers Herz bringen, sie zu trennen?«
    »Das stimmt, Gundel, es ist nur … es wäre in dem schrecklichen Fall nur so, dass … wir ja mit so Kindern eigentlich gar nicht so gut … und wenn es so weit ist, wir haben ja nicht viel Platz …«
    »Aber das sind doch eure Nichte und Neffen.«
    »Gundel, es ist nur … eure Kinder sind schon spezieller als andere, also, wie soll ich das sagen?«
    »Was meinst du?«
    »Na, da muss man schon genau wissen, wie man mit denen umgeht, sonst tanzen die einem schon auf der

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