Tief durchatmen, die Familie kommt: Roman (German Edition)
machen. Und jetzt hast du schlechte Laune, weil du andere Menschen sowieso nicht erträgst.«
»Erstens war es nicht meine Idee, und zweitens habe ich normalerweise kein Problem mit Menschen. Aber mit meiner Familie eben schon.«
»Gerald!«, schallte es aus dem Wohnzimmer. »Wo ist die Fuscher- CD ?«
»In der CD -Röhre neben der Tür!«
»Was ist das?«
»Der Ständer mit den CD s drin!« Mir zischte er zu: »Herrgott noch mal, warum muss dein Bruder so strohdoof sein? … Gundula, ich muss rüber, der bringt mir alle CD s durcheinander.«
»Ist doch sowieso alles das Gleiche …« Ich wollte ihn einfach quälen heute. Der Grappa half mir dabei.
»Sei doch nicht immer so bösartig!«
»Ich möchte einfach mal so richtig Weihnachten feiern. So ganz festlich, wie man das manchmal im Fernsehen sieht«, sagte ich. Tränen der Erschöpfung traten mir in die Augen.
»Gundel, jetzt fang nicht gleich wieder an zu heulen. Solche Familien gibt es nicht.«
»Natürlich gibt es die.«
»Ach ja? Dann nenn mir mal ein Beispiel.«
»Mir fällt jetzt keins ein. Aber ich weiß, dass es so glückliche Familien geben muss.«
»Gerald?« Roses Stimme klang etwas panisch. »Hadi findet die Öffnung nicht!«
»Er soll die Kinder fragen!«
»Hat er schon. Die sagen, er hätte was kaputt gemacht, aber er hat nichts angefasst, bestimmt, das kann ich bezeugen, und wir haben ja gleich gesagt, dass er sich mit so Apparaten nicht auskennt.«
»Manche Familien haben es nicht nötig, ständig zu streiten.« Ich ließ nicht locker.
»Gundula, warte mal, der macht mir meinen CD -Player kaputt.«
»Dein CD -Player ist dir also wichtiger als ich?«
»Herrgott noch mal, nein, aber unsere Streitereien bringen uns nicht weiter, und den CD -Player kann ich vielleicht noch retten.«
»Du bist echt ein Arsch.« Ich trank mein Glas aus.
»Gundula, reiß dich jetzt bitte zusammen, und hör auf zu trinken.« Er versuchte, mir mein Glas aus der Hand zu nehmen, aber ich riss es an mich und goss mir nach.
»Ich muss heute trinken, um klarer zu sehen. Ich bin schon kurz davor.« Ich nahm einen tiefen Schluck. »Manchmal muss man vielleicht der Wahrheit ins Gesicht sehen. Es ist gar nicht die Verwandtschaft, die unser Weihnachtsfest ruiniert.«
Ich machte eine bedeutsame Pause.
»Sondern?« Gerald war ungewöhnlich aufmerksam.
»Wir sind es selbst. Bei uns ist es immer schlimm. Denk doch mal nach. Es ist auch schlimm an Ostern und an jedem anderen Wochenende. Es ist immer schlimm. Es wird immer schlimmer, egal, ob Gäste da sind oder ob wir allein feiern. Wir sind am Ende unseres Weges angelangt.« Mir war jetzt schwindlig, und ich hielt den Küchenschrankgriff fest umklammert. Ich vertrug wirklich nichts. Aber in diesem Moment hatte ich das Gefühl, mithilfe des Alkohols kurz vor einer Erkenntnis zu stehen. Der Erkenntnis, warum unsere Ehe am Ende war.
Gerald war sehr blass geworden und setzte gerade zu einer Erwiderung an, als Ricarda, Rolfi und Matz in der Tür erschienen.
»Papi, vielleicht solltest du mal kommen, Onkel Hans-Dieter kriegt die CD nicht rein und popelt gerade mit seiner Gabel in der CD -Öffnung rum«, sagte Matz.
»Hans-Dieter! Lass mal, ich komme!«, rief Gerald panisch und war im nächsten Moment aus der Tür. Und unser Krisengespräch war damit beendet.
»Können wir jetzt nach oben?«, fragte Ricarda. »Da drüben ist es stinklangweilig.«
»Ricarda, stinklangweilig sagt man nicht. Und ihr bleibt hier.«
»Oh, Mann, warum denn?«
»Weil Weihnachten ist.«
»Na und?«, fragte Matz. »Bescherung war doch schon.«
»Nein. Weihnachten ist das Fest der Liebe, das feiert man zusammen.«
»Was sollen wir denn hier machen?«, fragte Rolfi.
»Spielt doch ein Gesellschaftsspiel.«
»Superidee, Mami. Wir sind doch nicht im Altersheim.« Ricarda nahm mir mein Glas aus der Hand. »Mami, du trinkst?«
»Ein bisschen.«
»Also, können wir jetzt nach oben?«
»Nein.«
»Aber Onkel Hadi will gleich aus seinem Buch vorlesen. Und dafür bin ich noch viel zu klein«, jammerte Matz.
Gerald kam zurück. »Ich konnte Hans-Dieter gerade noch davon abhalten, meinen CD -Player aufzubrechen. So, könntet ihr jetzt alle bitte wieder rüberkommen? Die anderen warten. Wo ist mein Rum?«
Die Flasche stand direkt vor seiner Nase auf der Anrichte.
Gerald sah sich um und entdeckte sie schließlich ohne fremde Hilfe.
Ricarda beäugte mich misstrauisch. »Gut, Mama, wir bringen dich jetzt erst mal rüber zu den anderen, damit
Weitere Kostenlose Bücher