Tief durchatmen, die Familie kommt: Roman (German Edition)
du hier nicht allein bleibst. Und vielleicht trinkst du jetzt mal ein Wasser, du siehst furchtbar aus.«
»Ich hab ja auch Krebs im Endstadium.«
»Gundula, mach nicht auch noch den Kindern Angst!«
Gerald riss mir das Glas aus der Hand, die Kinder starrten mich an.
»Das war ein Witz!«
»Total lustig, Mami.«
»Wenn heute alle zu mir sagen, dass ich so schrecklich aussehe, ist das für mich auch nicht leicht!«
Gerald schüttelte resigniert den Kopf. Ich holte tief Luft und versuchte mich zusammenzureißen. Da erschien Hans-Dieter. Er hatte sein Büchlein in der Hand. »Was macht ihr alle in der Küche?«
Von draußen klopfte jemand an die Scheibe. Ich sah zwei kleine Männer.
»Wer sind die denn?«
»Das ist Opa, der hat sich wohl wieder ausgesperrt.«
Ich sah noch mal hin. Die Männchen waren weg. Ricarda ging zur Haustür, um meinen Vater reinzulassen. Jetzt wurde es langsam interessant.
Mein Vater war ziemlich durchgefroren, er schlotterte am ganzen Leib. Zum Glück hatte der Regen aufgehört, sonst hätte er sich längst den Tod geholt.
»Papi, was machst du denn da draußen.«
»Ich wollte gar nicht raus, ich wollte rein, aber plötzlich war die Tür weg.«
»Komm, Edgar, trink ein Schlückchen, das wird dir guttun.« Susanne hielt ihm ihr Glas hin und goss sich selbst eines ein.
»Das schmeckt gar nicht schlecht, das Zeug. Was ist das?«
»Rum, Mutti, pass auf, der haut den stärksten Elefanten um.«
Gerald selbst hatte er bis jetzt noch nicht umgehauen.
Mein Vater strahlte übers ganze Gesicht. »Ganz köstlich!«
»Ich finde das nicht richtig, dass ihr ihm zu trinken gebt«, sagte mein Bruder. »Er weiß ja gar nicht mehr, was das ist.«
»Mein Sohn, werde du erst mal trocken hinter den Ohren. Und dann komm noch mal rein, und fang noch mal von vorn an.«
Mein Vater hatte sichtlich Spaß, dabei zu sein, seine Wangen glühten.
»So. Ich werde meiner Mutter Bescheid geben.« Hans-Dieter drehte sich um und ging hinaus.
»Alte Petze«, sagte ich.
Meine Kinder starrten mich an. Sie waren nun doch geblieben, um die immer merkwürdigeren Erwachsenen zu beobachten. Plötzlich langweilten sie sich kein bisschen mehr.
»Was guckt ihr so?«
»Du bist so lustig, Mami«, sagte Matz.
»Ja, vielleicht solltest du öfter mal was trinken, das macht dich irgendwie lockerer«, sagte Ricarda.
»Find ich auch. Sie ist total locker.« Gerald wankte hinaus. »Bringt die Flaschen mit!«, hörten wir ihn noch rufen.
Dann krachte es.
25.
Kapitel
»Diese miesen kleinen Scheißtölen.«
»Papa!« Unsere Kinder waren entsetzt.
Ich sagte: »Gerald, auch wenn du dich wegen der Hunde flachgelegt haben solltest, das ist kein Grund, sie Scheißtölen zu nennen.«
»Ich habe mich nicht flachgelegt, ich habe mich überschlagen, weil die Scheißdogge aufgestanden ist, als ich über sie drüberspringen wollte.«
»Siehst du, Gerald«, sagte ich, »das ist der Punkt. Kein normaler Mensch würde versuchen, über eine Dogge zu springen.«
»Vor allem nicht, wenn er betrunken ist.« Das war mein Bruder.
»Ja, Hans-Dieter, jetzt halt mal die Luft an«, sagte ich.
Susanne hatte eine Tüte Erbsen aus dem Gefrierfach geholt und legte sie ihrem Sohn auf die Stirn.
»Aber tu sie zurück, bevor sie auftauen«, sagte ich, »ich wollte die morgen kochen, und sie sollten nicht schon vorher matschig sein.«
Gerald warf mir einen gekränkten Blick zu, stand auf und humpelte ins Wohnzimmer. Wir folgten ihm. Mein Vater hatte sich die Rumflasche unter den Arm geklemmt.
»War’s was Schlimmes?« Meine Mutter war nach unten zurückgekehrt und lag mit geschlossenen Augen und Leidensmiene in ihrem Sessel.
»Nein, Ilse. Dein Schwiegersohn hat nur mit dem Kopf eine Kerbe in den Türrahmen geschlagen. Schlaf ruhig weiter«, sagte Gerald und ließ sich aufs Sofa fallen.
»Was bist du denn so ekelhaft? Ich schlafe überhaupt nicht, aber ihr seid ja alle ständig woanders.« Dann setzte sie hinzu: »Ich kann ja auch gehen, wenn euch mein Anblick stört.«
»Ja, ja …« Gerald hatte keine Lust mehr auf Diskussionen, das war ihm anzumerken.
»Ich habe mir in den letzten Jahren abgewöhnen müssen nachzusehen, was passiert ist, wenn es irgendwo kracht.« Meine Mutter sah erschöpft zu ihrem Mann hinüber.
Er lächelte sie an.
»Rum, Ilse«, sagte er glücklich.
»Komm, Edgar, sei so lieb und schenk mir nach.« Susanne setzte sich neben Gerald und hielt meinem Vater ihr Glas entgegen.
»Aber natürlich, Liebe, wer könnte
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