Tief im Hochwald - Kriminalroman
Vanessa, die für den nächsten Tag das Kaffeegeschirr zusammenräumen und spülen wollte.
»Soll ich morgen früh auch kommen, Frau Müller-Laskowski?«, erkundigte sich Erschens.
»Ich kann mir vorstellen, dass Sie mit Ihren Ortskenntnissen und Ihrem Wissen über die Einwohner eine Menge zur Lösung des Falls beitragen können, aber ich habe ein schlechtes Gefühl dabei, solange Sie eigentlich krankgeschrieben sind. Aber wenn Sie nur im Büro sitzen, kann schließlich nichts passieren, also ja, kommen Sie, wenn Sie mögen.«
Erschens wollte Vanessa die Hand reichen, aber ihre war voller Schaum vom Spülmittel. Hajo hatte sich bereits stillschweigend ein Geschirrtuch geschnappt und trocknete Teller und Tassen ab.
»Tschüss, Peter, vielleicht sehen wir uns auch morgen«, sagte er. »Mir ist wie allen in Hellersberg daran gelegen, dass der Mörder möglichst schnell gefasst wird, obwohl ich ein ungutes Gefühl dabei habe, dass es einer von uns sein soll.«
»Wer so was tut, ist keiner von uns, egal, wer es ist«, urteilte Erschens und hüpfte auf seinen Krücken zur Tür. Hajo eilte an ihm vorbei und hielt ihm die Tür auf.
»Wer auch immer das war, er hat viel mitgemacht in seinem Leben, was ihn zu diesem Wahnsinn getrieben haben dürfte«, meinte Hajo. »Das rechtfertigt zwar nichts, aber es erklärt vielleicht einiges. Ich glaube, wir sollten erst über ihn urteilen, wenn er gefasst und geständig oder überführt ist.«
»Eine sehr wohlwollende Einstellung, aber damit dürftest du in Hellersberg allein dastehen«, entgegnete Erschens. »Die Leute fragen sich schon, warum du derart stark in die Ermittlungen involviert bist. Musst du die Denkweise der Polizei kennen, damit du ihr immer einen Schritt voraus sein kannst? Du hast immerhin auch jahrelang mit dem Pastor Karten gespielt und auf Du und Du mit ihm gestanden, vielleicht musstest du nur seine Gewohnheiten genau kennenlernen, um ihn schließlich zu vernichten?«
Erschens schien die Meinung des Dorfes auszusprechen, die hoffentlich nicht seiner eigenen entsprach, aber Vanessa trocknete sich die Hände ab und eilte ebenfalls zur Tür. »Herr Kollege, Sie sollten wissen, dass das an Verleumdung grenzt, was Sie da gerade aussprechen. Aber wir finden den Mörder nicht, indem wir solchen Gerüchten nachgehen, sondern durch akribische Polizeiarbeit. Ich freue mich schon, wenn Sie morgen wieder dabei sind. Einen schönen Abend noch!« Damit schnitt sie dem Kollegen jedes weitere Wort ab, und der hüpfte die Stufen hinunter zu seinem Auto.
Hajo starrte mit leerem Blick auf die inzwischen geschlossene Tür. »Hattest du mich eigentlich auch jemals im Verdacht?«, fragte er tonlos.
»Hajo, ich bin Kommissarin. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich mich selbst nach einem Alibi fragen. Ich war auch bei den meisten Morden in der Nähe. Du kannst dir vorstellen, dass meine Kollegen sehr kritisch sind, wenn ich dich in die Ermittlungen einbeziehe und mit dir und Johannes über Details spreche. Ich habe wie bei keinem anderen immer argumentieren müssen, warum du als Täter nicht in Frage kommst. Für mich gibt es nie jemanden, den ich von vorneherein als Täter ausschließe, sondern immer erst, wenn ich ihn auf Herz und Nieren geprüft habe. Sei sicher, nach so vielen Jahren bei der Mordkommission ist einem nichts Menschliches mehr fremd, da glaubst du keiner Liebesbezeugung eines Verlobten und keinem Alibi, das eine Mutter ihrem Sohn gibt. Du musst alles hinterfragen, wenn du in meinem Job gut sein willst. Nicht umsonst funktionieren Beziehungen von Polizisten meistens nur untereinander oder gar nicht. Ich bin froh, dass Gunter verheiratet ist und Familie hat, aber die meisten von uns leben in einer anderen Welt, mit Schichtdiensten, nächtlichen Einsätzen und permanentem Misstrauen. Ich frage mich immer wieder, ob ich den Suizid meines Mannes hätte verhindern können, wenn wir nicht beide in diesem verdammten Job gesteckt hätten. Und er wäre nie in die Situation gekommen, an sich und seinem Leben zu zweifeln … zu verzweifeln, wenn er diesen Job nicht so perfekt hätte machen wollen. Danach habe ich so manches Mal daran gedacht, den Dienst ganz zu quittieren oder mich wenigstens in den Innendienst versetzen zu lassen. So einem Schreibtischtäter passiert nichts. Aber ich kann das nicht, mir fällt da die Decke auf den Kopf. Ich muss unterwegs sein, muss Leute um mich herum haben, die mich ablenken. Aber zugleich lasse ich kaum noch Menschen an mich
Weitere Kostenlose Bücher