Tief im Hochwald - Kriminalroman
wohl nicht gesehen hatte.
»Warum musste dieser Idiot auch unbedingt Kirchenmusiker werden? Er ist doch auch als Kind missbraucht worden, ich weiß es genau, ich war dabei. Aber warum wurde er nicht einfach Pianist? Nein, er musste zurückkommen und unter seinem Peiniger arbeiten, der Idiot. Keinerlei Selbstachtung, das musste bestraft werden. Hey, antwortet, wart ihr das, die ihn gefunden haben?«
»Ja, genau, wir waren mit den Rädern unterwegs«, antwortete Diana.
»Wie unvorsichtig, allein im Wald unterwegs zu sein, wenn jemand umgeht, der Rache fordert. Haben eure Eltern euch das nicht gesagt?« Er hob Dianas Kinn an, und sie fühlte, dass er raue, rissige Hände hatte. »Sag mal, du bist doch die Kleine von diesem Dorfsheriff? Hat der denn seine Tochter nicht über die Gefahren aufgeklärt, die rund um Hellersberg lauern?«
»Lassen Sie das«, begehrte Philipp auf, und sofort ließ der Mann Diana los, um sich ganz nah vor Philipp zu stellen.
»Oh, doch ein bisschen Beschützerinstinkt in dem Kleinen, wie niedlich. Du wärst bestimmt direkt damals zu deiner Mami gelaufen und hättest gepetzt, wenn der Pastor dich angefasst hätte. Solche Kinder hätten wir gebraucht. Aber bei euch ist es ja nicht mehr so, dass der Pastor, der Arzt und der Lehrer immer recht haben. In unserer Generation haben die Eltern noch zu den Lehrern gesagt, sie sollten ruhig zuschlagen, wenn wir nicht hören. Ihr hingegen zeigt heute eure Eltern an, wenn sie die Hand gegen euch erheben, um euch zu erziehen.« Er wandte sich ab.
Diana bekam hinter dem Rücken Philipps Hand zu fassen und hielt sie, so fest sie konnte. Der Mann war in den Dom, wie er den Raum nannte, gegangen, und sie hörten, wie er den Kerzenleuchter verrückte. Die Kerzen flackerten unruhig, und nun strahlte noch weniger Licht zu ihnen herüber als zuvor.
»Was wird er mit uns tun?«, flüsterte Philipp fast tonlos.
»Du hast gehört, dass er erst den Pastor umbringen will. Die Kommissarin ist gut, und sie kommt ihm immer näher. Mein –«
Die massige Figur des Mannes verdunkelte den Gang fast völlig. Seine Bewegungen wirkten unkontrolliert, er wirkte fahrig und warf den Kopf auf der Suche nach etwas hin und her. Plötzlich bückte er sich, und wieder hörten sie, wie eine Flasche entkorkt wurde.
»Mist, leer«, fluchte er und schleuderte die Flasche in ihre Richtung, wo sie direkt neben ihnen an der Wand laut zerschellte.
»Dann halt was Härteres als Wein. Aber ich muss den Pastor noch holen. Der Schmied hatte gute Nägel in seiner Werkstatt, die halten sogar den Pastor aus. Ich habe eine schöne Dornenkrone für ihn gemacht, er wäre stolz auf mich, wenn sie nicht gerade für ihn selbst gedacht wäre.«
Er ging wieder zurück in den Raum, eine weitere Flasche wurde geöffnet, und sie hörten ihn trinken. Anschließend kramte er in etwas herum und fluchte, bis ihm wohl auffiel, dass sie seine Stimme erkennen könnten, da er anscheinend vergessen hatte, die Maske wieder aufzusetzen.
»Mein Vater ist schließlich Polizist, er wird alles mobilisieren, wenn ich nicht wie vereinbart um sechs zu Hause bin und er mich nicht auf dem Handy erreichen kann«, versuchte Diana Philipp zu beruhigen.
»Was ist das für ein Geräusch?«, flüsterte Philipp.
Diana horchte atemlos. »Tabletten, die aus der Packung gedrückt werden? Ich glaube, ich kenne das Geräusch von meinem Vater. Ob wir die schlucken müssen, um uns zu betäuben?«
»Oder zu vergiften.« Philipp war kaum mehr zu verstehen. »Diana?«
»Ja?«
Einen Moment herrschte völlige Stille, danach hörten sie den Mann etwas hämmern.
»Diana, ich hab mich wie ein Feigling benommen.« Philipp schluckte hörbar.
»Völlig okay.« Diana drückte seine Hand ganz fest.
Philipps Gesicht kam ihrem ganz nah, und Diana spürte, wie vorsichtige Lippen über ihre Wange zu ihrem Ohr krochen.
»Falls wir das hier nicht überleben: Du bist das tollste Mädchen, das ich je kennengelernt habe.«
Diana suchte Philipps Lippen mit ihren und flüsterte: »Wir überleben das, und dann bleiben wir für immer zusammen. Ich liebe dich.«
»Ich dachte, du wartest nur darauf, dass Jonas aus Amerika zurückkommt?«, kam Philipps nüchterne Frage.
»Jonas ist nur ein virtueller Freund. Was nützt er mir, wenn ich von einem Killer in einer Höhle gefangen gehalten werde?«
Wieder öffnete jemand die Tür zur Dienststelle, und Vanessa hätte am liebsten »Jetzt nicht« geschrien, aber es war der Computerspezialist.
»Sind Sie
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