Tief im Hochwald - Kriminalroman
verschiedene Todesursachen zu Ohren gekommen, dass wir klarstellen möchten, dass Frau Ostermann erdrosselt wurde.«
Vanessa sank in sich zusammen.
»Zurzeit suchen wir nach dem Vorhängeschloss, das bislang an der Kapelle angebracht war. Wer etwas zu dessen Verbleib sagen kann, möge sich bitte bei uns auf der Wache melden. Darüber hinaus möchten wir alle, die gestern mit Frau Ostermann Kontakt hatten, bitten, sich ebenfalls bei uns im Büro einzufinden. Meine Kollegin und ich werden gleich dort anzutreffen sein. Danke und allen weiterhin eine vergnügliche Kirmes.«
Seltsamerweise applaudierten einige, die offenbar nicht zugehört, sondern nur wahrgenommen hatten, dass irgendeine Ansprache beendet war. Landscheid hatte sein Mikrofon an Friedhelm Stüber weitergegeben, der souverän mit der Ansage begann, dass der Chor aus aktuellem Anlass auf das geplante Eröffnungslied »Oh Happy Day« verzichten wolle.
Vanessa sah ihrem Kollegen entgegen, der mit strahlendem Lächeln auf sie zukam.
»Ich habe Ihnen schon gesagt, nichts ist schlimmer als Gerüchte, denen wirken wir direkt mal entgegen.« Er war sichtlich stolz auf seine Idee.
»Danke, Landscheid, warum haben Sie den Täter nicht gleich aufgefordert, seine Kleidung zu verbrennen, das Schloss gänzlich zu entsorgen und sich rückwirkend ein Alibi zu besorgen? Das haben Sie ganz großartig gemacht, aber leider nicht im Sinne der Aufklärung, sondern im Sinne der Vertuschung einer Straftat.« Sie musste sich zusammenreißen, Landscheid nicht anzuschreien.
»Sie dürfen nicht vergessen, dass wir im Hochwald sind. Da kennt jeder jeden, da haben die Leute ein Recht darauf, informiert zu werden. Das ist ihnen wichtig. Und schließlich beobachtet hier noch jeder jeden im Guten wie im Schlechten. Es wird keinem ein Leid zugefügt, ohne dass es jemand mitbekommt, aber es gibt auch keine Verfehlung, die nicht zum Dorfgespräch wird. Glauben Sie mir, auch wenn das in der Stadt anders läuft, bei uns funktioniert das so«, versuchte Landscheid, sich zu verteidigen.
»Was zu beweisen wäre«, kam Johannes Vanessa zu Hilfe und legte seine Hand beschwichtigend auf ihren Arm, die sie aber sofort dadurch abstreifte, dass sie aufstand und sich ihre Tasche schnappte.
»Würde mich freuen, Sie alle gleich im Büro zu sehen, vielen Dank«, brachte sie mit mühsamer Beherrschung hervor und zischte ihrem Kollegen zu, über diese Szene sei noch nicht das letzte Wort gesprochen.
Als wenig später Gunter Hermesdorf in Hellersberg eintraf, konnte er nicht vor der Polizeiwache parken, weil sich eine Menschenschlange über den halben Kirmesplatz zog. Er quetschte sich an den Wartenden vorbei, was einige zu Unmutsbekundungen veranlasste. Dabei schnappte er Bemerkungen auf, die mehr als deutlich machten, dass niemand den Tod der Lehrerin wirklich zu bedauern schien. Im Inneren der Wache fand er Vanessa im Gespräch mit einem aufgebrachten Mann vor, der schilderte, warum er auf keinen Fall als Mörder in Frage komme. Eine Aussage, die meist sehr verdächtig war. Vanessa machte Gunter ein Zeichen, dass sie ihm gleich eine kurze Einführung nebenan in der kleinen Küchenecke geben werde.
»Was zur Hölle ist denn hier los?«, fragte Gunter seine Kollegin, als diese die Vernehmung endlich beendet hatte.
»Das ist Hochwald live. Wichtig waren mir die Klassenkameraden, weil die meiner Meinung nach am ehesten einen Bezug zu der getöteten Lehrerin hatten. Aber mein Kollege Polizeihauptmeister Heiner Landscheid hat kurzerhand das ganze Dorf einbestellt. Jetzt erzählen mir gefühlte zweitausend Leute, was sie gestern gemacht haben, warum sie keinesfalls der Täter sein können, und gleich auch noch, wen sie für den Verdächtigsten halten, weil der immer schon anders gewesen sei als andere«, beklagte Vanessa ihre Erfahrungen der letzten halben Stunde.
»Und, gibt es ein Schema, jemanden, der besonders häufig von den Leuten genannt wird?«, fragte Gunter.
»Leider nein. Was die Ostermann angeht, hatte wohl fast jeder einen Grund, sie umzubringen. Anscheinend jeder hatte Elfriede Ostermann entweder selbst als Lehrerin, oder die eigenen Kinder wurden von ihr unterrichtet. Sie war seit zwanzig Jahren nicht mehr im Schuldienst, daher könnte man, wenn man davon ausgeht, dass es keine zufällige Tat war, vorerst annehmen, dass alle unter sechsundzwanzig Jahren nicht verdächtig sind, was den Kreis der potenziellen Täter leider nicht erheblich einschränkt«, schilderte Vanessa.
»Nach
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