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Tief im Hochwald - Kriminalroman

Tief im Hochwald - Kriminalroman

Titel: Tief im Hochwald - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moni
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wenn am nächsten Morgen weiter darüber diskutiert wurde, wie man etwas hätte anders machen müssen. Als mein Opa starb, hat mein Mann häufig mit den beiden Skat gespielt, aber das war immer mein Saunaabend, das wollte ich mir nie antun.« Sie starrte vor sich hin.
    »Sie sind verheiratet?«, fragte der Pastor neugierig nach, und auch die anderen beiden ließen die Karten sinken.
    Vanessa zögerte.
    »Ist doch logisch, woher sonst sollte der Doppelname kommen?«, sagte Hajo.
    »Wir waren zusammen auf der Polizeischule. Meinem Mann blieb bei einer Geiselnahme nichts anderes übrig, als auf den Geiselnehmer zu schießen, er erwischte aber leider auch die Geisel, die seitdem im Rollstuhl sitzt. Das hat mein Mann sich nie verziehen. Monatelang ist er von einem Therapeuten zum anderen gegangen, war in einer Reha, lange Zeiten krankgeschrieben. Vorher war er Polizist mit Leib und Seele, Tag und Nacht einsatzbereit, wann immer ein Anruf kam. Auf einmal war er unsicher in seinem Job, traute sich keine Entscheidung mehr zu, weigerte sich, eine Waffe zu tragen.« Vanessa sprach immer leiser.
    »Mein Kind, in guten wie in schlechten Zeiten, das ist wirklich kein Grund, sich zu trennen«, ermahnte sie der Pastor.
    »Das stimmt«, murmelte Vanessa. »Darum habe ich auch immer zu ihm gestanden, bis er sich mit seiner Dienstwaffe erschossen hat, weil er mit der Schuld nicht zurechtkam. Ihm hat nie jemand einen Vorwurf gemacht, aber die schlimmsten Dämonen sitzen in uns selbst.«
    Niemand am Tisch sprach ein Wort. Vanessa hatte den Wurstsalat von sich weggeschoben und spielte mit ihrer Serviette. »Sechs Jahre ist das her, länger, als wir vorher überhaupt verheiratet waren.« Sie schob hastig ihren Stuhl zurück, der umkippte und hart auf dem Boden aufschlug.
    »Gute Nacht, meine Herren«, verabschiedete sie sich schluchzend und lief nach oben.
    »Du dummer alter Moralapostel!«, warf Hajo dem alten Pastor vor. »Erst denken, dann reden! Musstest du das Kind so durcheinanderbringen? Ich glaube, sie hat schon genug gelitten, da braucht sie deine frommen Sprüche sicher am allerwenigsten. Deine Moralvorstellungen decken sich vielleicht noch mit dem Neuen Testament, aber nicht mehr mit der heutigen Zeit.« Er warf die Karten vor sich hin und hatte keine Lust mehr zu spielen.

ACHT
    Nach zähem Frühnebel brach am Freitagmorgen die Sonne durch, auch wenn es kalt blieb. Alle packten mit an, um den Handwerkermarkt und alle geplanten Aktivitäten vollständig aufzubauen. Man konnte den Eindruck bekommen, ganz Hellersberg habe sich Urlaub genommen. Die Bewertungskommission hatte sich für elf Uhr angekündigt, einen Alternativtermin am Wochenende hatte sie leider nicht anbieten können. Die Kommission bestand aus sechs Personen, die mit Klemmbrettern und den Bewerbungsunterlagen von Hellersberg durch den Ort liefen und sich Notizen machten, Anwohner befragten und mit dem Planungsausschuss diskutierten. Die Stimmung war gut, die Bewohner waren angespannt, aber zufrieden mit dem Ergebnis ihrer Bemühungen und zuversichtlich.
    Auf dem Handwerkermarkt herrschte geschäftiges Treiben. Von den Essensständen wehte der Geruch von Schwenkbraten, Pilzen und Waffeln herüber. Der Schreiner Uwe Lauer hatte vor seinem Stand einen Schnitz-Workshop für die Kinder initiiert, bei dem erstaunliche Dinge vollbracht wurden. Die Kommission blieb vor einer Statue von Rolf Trost stehen, einem zweiteiligen Werk aus einer fast mannshohen schwarzen Steinfigur ohne Gesicht und ohne Arme, die rau und nahezu unbehauen wirkte. Sie umschloss eine deutlich kleinere Figur aus weißem, glänzend poliertem Stein, ebenfalls ohne Gesicht. Justinger erläuterte, dass auch die anderen Statuen im Dorf vom selben Künstler gestaltet worden seien.
    »Da steht doch auch dieser rund ein Meter fünfzig hohe Holzengel am Ortsausgang nach Holzerath. Der Oberkörper einer barocken Putte, aber unterhalb der Brust sieht er aus wie ein unterernährtes Model, ich meine den, der teils grob geschnitzt, teils glänzend poliert ist. Den finde ich ja eher befremdlich, aber diese Figuren haben doch eine ganz andere Ausstrahlung. Ist der Künstler auch zugegen?«, erkundigte sich eine Frau, die ein graues Kostüm trug.
    Gabi Landscheid sah sich auf dem Platz um und erblickte in ihrer unmittelbaren Nähe Trost in einer Diskussion mit Karl-Josef Lehnen über die Fassadengestaltung seines alten Gasthofes.
    »Herr Trost, könnten Sie mal eben …?«, forderte sie ihn auf und winkte ihn

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